Zum Thema Brotmarkt

Überraschung beim Brotpreis: Brot vom Bäcker kostengünstiger als vom Discounter

Fakten zum Brotpreis: Warum sich jeder mit nur 2 – 5 Minuten täglicher Arbeit den Genuss von Bäckerbrot leisten kann.

Deutsche sparen bei der Ernährung

Wir Deutschen sind nicht gerade als Genussmenschen bekannt. Dies zeigt sich nicht nur am Brotpreis, sondern an unseren Ausgaben für Lebensmittel insgesamt. Sie waren im Jahr 2016 mit nur 13,7 % aller Konsumausgaben historisch niedrig und sind es bis heute. Sogar Getränke und Tabakwaren sind darin enthalten, für die Nahrung bleibt umso weniger. Die letzte, abgegrenzte Zahl hierzu liegt mir aus dem Jahr 2014 vor: damals lag der reine Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel ohne Getränke und Tabak bei 9,93 % aller Konsumausgaben. Daran wird sich nicht viel geändert haben. Zum Vergleich: für Verkehr/Mobilität werden 13 % aller Konsumausgaben aufgewendet. Uns Deutschen ist die Ernährung (inkl. Getränke und Tabak) also ungefähr so viel wert wie das Auto und andere Transportmittel. Für Motorenöl wird i.d.R. sogar erheblich mehr bezahlt als für Speiseöl. Das liebe Auto scheint vielen Menschen wichtiger zu sein als der eigene Körper. (Quelle aller Prozentangaben: Statistisches Bundesamt)

Die „Geiz ist geil“ Mentalität war übrigens nicht immer so. Vor 100 Jahren wurde über die Hälfte der Konsumausgaben (57 %) für die Ernährung ausgegeben, vor 70 Jahren noch 44 %, vor 50 Jahren noch 25 %. Heute eben 13,7 %. In vielen anderen Ländern geben die Menschen mehr Geld für das Essen aus – und gönnen sich insgesamt mehr Lebensfreude, die wir im Urlaub gleichsam genießen und loben. Nur eben im Alltag nicht. Warum eigentlich? Die Angst, für ein Lebensmittel zu viel Geld auszugeben, ist durch den entsprechenden Verlust an Genuss und Lebensfreude vermutlich der wahre Preis, den wir für den Erfolg der Discounter zahlen.

Durchschnittlicher Brotpreis in Deutschland

Kommen wir zu den Fakten: Ein Brot kostete im Dezember 2016 im Bundesdurchschnitt 2,43 Euro je kg. Der durchschnittliche Brotpreis beim Bäcker (3,12 Euro je kg) ist wegen dessen Kostenstruktur – vor allem die Personalkosten – dabei zwar höher als jener für unverpacktes Brot im Supermarkt (2,34 Euro je kg) oder bei den Discountern (1,86 Euro je kg), doch noch nicht wirklich teuer, wie ich nachfolgend gerne belegen möchte. (Quelle aller Preisangaben: GFK)

Der Brotpreis beim Bäcker

Man kann davon ausgehen, dass aus einem Kilogramm Brot etwa 20 Scheiben je 50 g geschnitten werden. Somit kostet die Scheibe Brot beim Bäcker im Schnitt knapp 16 Cent. Das soll teuer sein? Klar, beim Discounter ließen sich 7 Cent je Scheibe sparen, doch die retten niemanden. Von 2 Scheiben Brot wird man in der Regel satt, im Falle des Bäckerbrotes also von lediglich 32 Cent. Kennst Du ein anderes Lebensmittel, bei dem man von 32 Cent satt wird? Wer da noch beim Brotpreis spart und auf Genuss verzichtet, hat vermutlich auch sonst nichts zu lachen.

Würden alle Menschen dem Rat von seriösen Ernährungsorganisationen wie z.B. der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) folgen, so würden sie zur Aufrechterhaltung ihrer Gesundheit rund 250 Gramm Brot – darunter auch Vollkornbrot – am Tag zu sich nehmen. Der Preis für den „Luxus“ des Bäckerbrotes wären somit im Schnitt gerade mal 78 Cent pro Tag. Selbst jemand, der als Aushilfe arbeitet und dabei nur den gesetzlichen Mindestlohn von zur Zeit 8,84 € verdient, muss hierfür lediglich 5 Minuten arbeiten. Weil deutlich weniger Brot gegessen wird, als die DGE empfiehlt, sind es tatsächlich nur 3,5 Minuten Arbeitszeit täglich auf Mindestlohn-Basis.

Legt man ein Durchschnittseinkommen zu Grunde, kostet der „Luxus“ Bäckerbrot im Schnitt nur knapp 2 Minuten Arbeitszeit pro Tag! Dies für den gesamten Brotbedarf von 250 g, was etwa 5 Scheiben Brot täglich entspricht (die DGE empfiehlt 4 – 6 Scheiben). Der Brotkauf beim Bäcker ist je nach Einkommen im Schnitt also mit 2 – 5 Minuten Arbeitszeit täglich bezahlt. Dies bedeutet: Wirklich jeder kann sich Bäckerbrot leisten! Denn nicht der Brotpreis, sondern der oft vielfach teurere Belag macht bei einer Brotmahlzeit den Unterschied.

Der wahre Brotpreis beim Discounter

Wie dargestellt, kostet ein unverpacktes Aufback-Brot beim Discounter im Schnitt 1,86 Euro je Kilo. Zuweilen wird ein Kilo Mischbrot dort sogar schon mal für 99 Cent im Angebot verramscht (siehe Foto unten), weil der Handel – im Gegensatz zum Bäcker – nichts am Brot verdienen muss. Backwaren dienen im Handel als billiges Lockmittel. Sie erhöhen die Kundenfrequenz und sorgen durch den Brotduft für eine „positive Einkaufsstimmung“. Abkassiert wird woanders. Daher befinden sich die Backstationen stets in der Nähe des Eingangs.

Der billige Brotpreis relativiert sich jedoch, wenn man bedenkt, dass die meist vor vielen Wochen produzierte und nur kurz aufgebräunte Aufbackware des Handels verfahrensbedingt oft nur solange genießbar ist, wie sie warm oder einigermaßen frisch ist. Dies führt dazu, dass in den Haushalten riesige Mengen an Brot weg geworfen werden. „Es war ja billig“. In Zahlen: Pro Jahr werden in Deutschland 500.000 Tonnen Brot weggeworfen. Dies weniger in den Bäckereien, die übrig gebliebenes Brot zu Paniermehl verarbeiten, an Tafeln verschenken oder an Futtermittelhersteller abgeben, sondern vorwiegend in den Haushalten. Mit der weggeworfenen Brotmenge könnte man ganz Niedersachsen ein Jahr lang versorgen! (Quelle: Dokumentarfilm Taste the waste). Wer zu Hause Brotabfall vermeiden möchte, findet hier 16 bessere Alternativen.

Auch moralisch ist das Wegwerfen von Backwaren kaum zu vertreten. Früher nannte man das Wegwerfen von Brot Brotfrevel. Hierfür drohte eine göttliche Strafe.

Überraschung: Bäckerbrot ist kostengünstiger!

Wer alle Faktoren berücksichtigt, kommt zum Schluss, dass Bäckerbrot unter dem Strich nicht teurer, sondern kostengünstiger ist als jenes aus der Massenbrothaltung des Handels. Es ist auch billiger, weil „billig“ im Wortursprung nicht für preisgünstig, sondern für gerecht steht – und das ist Fabrikbrot ganz gewiss nicht, nicht einmal für die Fabrik selbst…

Dem Tiefkühlbrot-Riesen Aryzta, der sich auf seiner Website stolz „Europas größter Bäcker“ nennt, geht es trotz Brot- und Brötchenmassen nämlich gar nicht gut. Für das Jahr 2016 meldete der Milliardenkonzern rückläufige Umsätze und über 900 Millionen Euro Verlust!

Grund dafür ist wohl der enorme Preisdruck des Handels. Die 4 größten Handelskonzerne (Edeka, Rewe, Lidl/Schwarz und Aldi) entscheiden über rund 2/3 des gesamten Lebensmittelumsatzes in Deutschland. Aufgrund ihrer enormen Marktmacht können sie ihre Lieferanten nach Belieben gegeneinander ausspielen, was sogar das Bundeskartellamt unruhigt. Die Folge sind derzeit niedrigste Lebensmittelpreise – man bekriegt sich ausschließlich über den Preis – mit all seinen Folgen, auch für die Hersteller und deren Herstellungsmethoden.

Wer sich also über Massentierhaltung und Co aufregt, sollte wissen, dass nur er selbst das ändern kann: durch regionalen Einkauf direkt beim Produzenten, wo immer möglich – eben auch beim Bäcker.

Der niedrige Brotpreis relativiert sich zudem, weil ein wirklich gutes Bäckerbrot einfach länger frisch ist und wird demzufolge weniger weggeworfen wird. Hinzu kommen Mehrwerte, die kaum jemand berücksichtigt: Der regionale Bäcker sorgt für Arbeitsplätze vor Ort, er kauft bei einer Mühle der Region, unterstützt die örtlichen Vereine, beauftragt regionale Handwerker mit anfallenden Arbeiten und engagiert sich auch anderweitig. Die Bäckerei ist heute zudem ein wichtiger Treffpunkt für viele Orte, oft der letzte seiner Art. Längst ist die Bäckerei nicht mehr nur eine Verkaufsstätte für Backwaren, sondern das Herz einer jeden Gemeinde. In jenen Orten, wo es keinen Bäcker mehr gibt, fehlt kein Brot (das gibt es inzwischen ja an jeder Tankstelle), jedoch Seele.

Wie die oben angeführten Berechnungen zeigen, ist Bäckerbrot keinesfalls teuer, sondern in letzter Konsequenz das beste und günstigste Lebensmittel überhaupt. Berücksichtigt man dann noch, dass der Einkauf in einer guten Bäckerei in unserer immer einsameren Welt mit sehr angenehmen Emotionen verbunden ist, vom warmen Ambiente über die Vielfalt bis zum Lächeln der Verkäuferin, gibt es überhaupt keinen Grund, ausgerechnet beim Brotkauf sparen zu wollen.