Zum Thema Brotzutaten

300 Zusatzstoffe im Brot? Ein Faktencheck

Zahlreiche Menschen gehen offenbar davon aus, dass „viele Zusatzstoffe im Brot“ enthalten sind, welche sie zudem als gesundheitsgefährdend betrachten. Medienberichte schlagen in die gleiche Kerbe und flankieren die entsprechenden Ängste noch. Doch wie verhält es sich wirklich? Gibt es „300 Zusatzstoffe im Brot“? Falls ja: welche und warum? Falls nein: woher kommt diese Angabe? Ein Beitrag, der die Dinge etwas genauer betrachtet, dabei überraschende Fakten liefert und mit einer Empfehlung für Bäcker wie für Verbraucher endet.

1. Faktencheck Zusatzstoffe im Brot: Haben die Medien recht?

Regelmäßig erfolgt in Print- und TV-Medien ein Brot-Bashing, welches suggeriert, dass Brote früher besser waren und „heutzutage“ erhebliche Mengen an Zusatzstoffen enthalten wären. So schrieb das Zeit-Magazin: „In einem Brot sind heute so viele Zusatzstoffe, dass selbst die Enten im Stadtpark es ablehnen!“ Eine These, die übrigens an jedem Ententeich widerlegt werden kann. Der Stern nennt das deutsche Brot sogar Blendwerk, womit er einer eigenen Tradition der Verunglimpfung des Brotes folgt, weil sich das offenbar gut verkauft. Schon vor 11 Jahren behauptete das gleiche Magazin, dass „der Bäcker an der Ecke“ nur noch „industriell gefertigte Teiglinge“ in den Ofen schiebt.

Eine tragfähige Quelle für derlei Behauptungen blieben die Redaktionen bis dato schuldig. Stattdessen wird darauf verweisen, dass „über 300 Zusatzstoffe im Brot“ zugelassen seien (was falsch ist – siehe Punkt 5 unten) oder es werden „Zeugen“ benannt, z.B. in Wort und Bild vorgestellte Bäcker, die im Gegensatz zu allen anderen „noch richtig backen“, was so selten geworden sei – was diese mit Blick auf den Umsatzzuwachs brav bejahen. Echte Fakten, so wie in diesem Beitrag? Fehlanzeige! Seriöser Journalismus ist das nicht…

2. Faktencheck Zusatzstoffe im Brot: Enthält Brot oft Konservierungsstoffe?

Als ich im Jahr 2014 die Journalisten eines sehr renommierten Food-Magazins zum Thema Brot geschult hatte (die daraufhin Bäcker testeten), dauerte es nur wenige Minuten, bis der Vorwurf im Raum stand, dass „ganz viel Chemie im Brot“ enthalten sei. Auf meine Frage: „Welche Chemie denn?“ wurden sofort „Konservierungsstoffe“ genannt. Ich musste schmunzeln, denn Konservierungsstoffe sind im unverpackten Brot gesetzlich verboten! Überrascht? Einzige Ausnahme sind geschnittene und verpackte Brote, wie sie im Supermarktregal angeboten werden, sofern diese entsprechend gekennzeichnet sind. Doch auch die Industrie verzichtet heute weitgehend darauf. Das Brot im Brotregal des Bäckers und auch seine Brötchen sind laut Gesetz völlig frei von Konservierungsstoffen – was manche Menschen und Medien nicht hindert, derlei weiterhin zu behaupten.

3. Faktencheck Zusatzstoffe im Brot: Werden Farbstoffe eingesetzt?

Der nächste Vorwurf der Journalisten waren dann „Farbstoffe“, welche die Bäcker verwenden würden, um einen „höheren Vollkorngehalt im Brot vorzutäuschen“. Doch, Überraschung: Auch Farbstoffe im Brot sind in Deutschland seit vielen Jahren gesetzlich verboten! Um ehrlich zu bleiben: Teilweise wird Malz zum Teig gegeben, das ebenfalls eine leicht färbende Wirkung hat. Vor allem erzeugt dieses aber einen süßlich-aromatischen Geschmack, der von vielen Kunden sehr geschätzt wird. Hier geht es dem Bäcker um den Geschmack, nicht um die Farbe und schon gar nicht um die „Vortäuschung eines höheren Vollkorngehalts“. Denn in den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches ist klar definiert, dass bei einem Vollkornbrot mindestens 90 % der Getreidemahlerzeugnisse aus dem vollen Korn stammen müssen. Wo Vollkorn drauf steht, muss also Vollkorn drin sein. Dies wird von der Lebensmittelüberwachung durch Laboranalysen geprüft.

Besagte Leitsätze werden übrigens von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) erlassen, in die ich im Jahr 2016 vom Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft berufen wurde. Ein interessantes und verantwortungsvolles Ehrenamt.

4. Faktencheck: Kommt beim Brotbacken Chemie zum Einsatz?

Diese Frage kann eindeutig mit „Ja“ beantwortet werden! Es kommen u.a modifizierte Stärken, Klebermoleküle, Schwefelbrücken-Verbindungen, denaturierte Enzyme, Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren und heterozyklische Aromaverbindungen zum Einsatz – und zwar sehr regelmäßig! Aaaaber…

… das beschriebene Brot besteht lediglich aus Mehl, Wasser, Salz und Sauerteig. Denn alle genannten Stoffe kommen in jedem Mehl (auch im Bio-Mehl) vor oder entstehen bei der Brotherstellung auf ganz natürliche Weise. Schon das Getreidekorn entpuppt sich dabei als wahre Biochemie-Fabrik, welche durch Mahlen, die Teigherstellung sowie den Backprozess zur Hochform aufläuft. Sonst gäbe es kein Brot. Man nennt dies das Wunder der Natur oder auch die Kunst des Backens.

5. Faktencheck: Gibt es über 300 Zusatzstoffe im Brot?

Derlei Darstellungen hängen sich an der Europäischen Zusatzstoff-Verordnung (Nr. 1333/2008) auf, die 2008 in Kraft getreten ist und für alle EU-Mitgliedsstaaten gilt, in Deutschland in Form der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung. Die Verordnung umfasst derzeit rund 340 Zusatzstoffe, die in Lebensmitteln eingesetzt werden dürfen. Diesen ist jeweils eine E-Nummer zugewiesen. Dies bedeutet aber nicht, dass diese Stoffe gesundheitlich bedenklich sind, sonst wären sie nicht zugelassen. Und manch „gefährliche“ E-Nummer ist überraschend harmlos. Oder haben Sie etwa Angst vor Sauerstoff (E948)?

Jetzt kommt es: Die meisten der 340 Stoffe mit E-Nummern sind für die Brotherstellung untersagt, z.B. Farbstoffe (E100 – E180) oder Konservierungsstoffe (E200 – E297), siehe oben. Damit fällt schon über die Hälfte der Zusatzstoffe in besagter Liste raus. Andere machen im Brotteig überhaupt keinen Sinn. Warum sollte ein Bäcker seinem Brotteig Süßungsmittel (E950 – E969), Salzsäure (E507), Schwefelsäure (E513), Bienenwachs (E901), Wasserstoff (E949) oder Gold (E175) zusetzen?

Behauptungen, die suggerieren, dass „über 300 Zusatzstoffe im Brot“ enthalten sein könnten, sind somit schlecht recherchiert oder bewusst unseriös, um den Menschen Angst zu machen und so die Auflage oder Quote zu steigern. Fakt ist: Die allermeisten in der EU zugelassenen Zusatzstoffe sind nur für bestimmte Lebensmittelgruppen erlaubt und für die Brotherstellung verboten oder völlig sinnlos, wie dargestellt.

6. Warum werden manchmal Zusatzstoffe im Brot eingesetzt – und welche?

Sowohl der Bäcker als auch sein Kunde wünscht sich ein möglichst gut gelockertes, geschmackvolles Brot in gleichbleibender Qualität. Sehr früh kam man darauf, dass die Zugabe bestimmter Stoffe dabei helfen kann, die Brotqualität zu steigern. Schon im Jahr 1859 wurde in einem englischen Patent (Nr. EP 2775) die Verwendung von Malz zur Teigbereitung beschrieben, um gärfreudigere Teige und eine bessere Brotqualität zu erzielen. Malz wird durch Einweichen, Keimen und Erhitzen („Darren“) von Getreide wie z.B. Gerste gewonnen. Hierdurch entstehen auf natürliche Weise viele Enzyme, die sich durch Zugabe von etwas Malz zum Teig positiv auf Volumen, Bräunung und Geschmack auswirken.

Neben Enzymen können auch Emulgatoren als Zusatzstoffe zum Einsatz kommen, um das Volumen zu verbessern, z.B. Lecithin, das natürlicherweise im Eigelb und in Soja vorkommt. Gerade bei der Herstellung von Kleingebäcken (Brötchen) werden Malze und Emulgatoren recht häufig eingesetzt, um die von Kunden gewünschte Qualität zu erzielen. Bei Brot braucht es derlei nicht zwingend.

Auch Quellmehle oder modifizierte Stärken werden zum Teil beim Brotbacken verwendet. „Modifiziert“ bedeutet „verändert“. Die Stärken werden hierbei vorgequollen, um wie auch bei den Quellmehlen die Wasserbindefähigkeit des Teiges und damit die Frischhaltung zu verbessern.

Manchmal stecken die Zusatzstoffe bereits im Mehl, z.B. wird von vielen Mühlen etwas Ascorbinsäure zugesetzt. Dieser Stoff dient der Mehlreifung, damit das Mehl nicht so lange lagern muss, bis es verarbeitet werden kann. Er stabilisiert das Eiweiß des Getreides und hilft damit auch dem Bäcker. Ascorbinsäure ist übrigens keinesfalls bedenklich. Ein anderer Name hierfür ist „Vitamin C“.

Es gibt weitere mögliche Zusatzstoffe. Vor Jahren stand z.B. Cystein (E910) im Zentrum vieler Berichte, weil dieser Stoff angeblich „aus chinesischen Menschenhaaren“ gewonnen wurde – was sich als unwahr herausgestellt, bis dahin aber in den Medien ausgezeichnet verkauft hat. Die natürliche Aminosäure Cystein (eigentlich: L-Cystein) kommt in der Tat in Haaren vor, aber eben auch in vielen anderen natürlichen Rohstoffen, darunter im Mehl selbst. L-Cystein entspannt die Eiweißstruktur im Teig, das sogenannte Kleber-Eiweiß. Ein Teig mit Zugabe von etwas L-Cystein wird elastischer und entwickelt sich schneller. Auch das Volumen verbessert sich, somit die Brotqualität.

Bei der Herstellung von Brot kommen zum Teil auch Enzyme zum Einsatz, um schwankende Mehlqualitäten auszugleichen und die Brotqualität zu verbessern. Viele davon sind rein natürlich. So werden z.B. die im Mehl natürlich vorkommenden Amylasen teilweise isoliert und nochmals konzentriert zugesetzt. Amylasen spalten die Stärke (Amylose) des Mehls in Zuckerstoffe, welche im Gegensatz zur Stärke von der Hefe verstoffwechselt werden können. Ehrlicherweise muss gesagt werden, dass es heute auch Enzyme gibt, die aus dem Labor stammen. Derlei „Wunder-Enzyme“ machen die Teige z.B. „maschinengängiger“, was bei industriellen Herstellung von Brot hilfreich ist. Andere Enzyme können die Haltbarkeit verlängern, z.B. maltogene Amylasen. Sie halten das Brot wochenlang frisch, was wichtig für jene Brothersteller ist, die verpacktes Brot an den Handel liefern. Dieser erwartet von seinen Lieferanten von Toastbroten etc. heute teilweise ein MHD von 9 Wochen! Aufgrund der derzeitigen Rechtslage müssen Enzyme nicht deklariert werden, weil man davon ausgeht, dass sie „keine technologische Wirksamkeit im Endprodukt“ mehr haben – was angesichts der o.g. Effekte durchaus bezweifelt werden darf. Daran erwächst regelmäßig Kritik.

7. Warum werden teilweise Backmischungen verwendet?

Die meisten Bäckereien bestehen seit mehreren Generationen. Deren traditionelle Haus-Brotsorten wie z.B. die Mischbrote wurden in der Regel nie verändert. Sie werden oft „wie früher“ gebacken. Denn käme ein Bäcker auf die Idee, sein traditionelles Mischbrot statt mit Mehl, Sauerteig, Wasser, Salz und Hefe plötzlich mit einer Backmischung zu backen, würde der Kunde die Veränderung seines Lieblingsbrotes sofort bemerken und den Bäcker mit Kaufzurückhaltung bestrafen. Hinzu kommt, dass Backmischungen sehr teuer sind. Von daher ist es logisch, dass es noch viel mehr traditionell hergestellte Brotsorten in den Bäckereien unseres Landes gibt als manche Berichte suggerieren.

Richtig ist aber auch, dass manche Bäcker mit den ständig wechselnden Ernährungstrends (Brote mit wenig Kohlenhydrate, mit Superfoods, Urgetreiden und Co…) überfordert sind und daher zuweilen auf Backmischungen zurückgreifen, um den neusten Trend schnell und einfach zu bedienen. Der Kunde an der Theke fragt ja danach! Darauf haben sich die Backmittelhersteller entsprechend spezialisiert. Auch der gravierende Fachkräftemangel im Bäckerhandwerk sorgt dafür, dass manche Bäcker sich die Arbeit zwangsläufig etwas leichter machen müssen.

Backmischungen sind dabei aber keine „Chemie“, sondern oft nur Vormischungen verschiedener Rohstoffe wie z.B. Getreide, Ölsaaten, Gewürze usw. Der Bäcker delegiert so die aufwändige Produktentwicklung einer Trend-Brotsorte und spart sich zudem ein Lager voller Säcke mit Rohstoffen, die er sonst einzeln einkaufen und abwiegen müsste, da facto also Zeit. Richtig ist aber auch: viele Kunden misstrauen Backmischungen und wünschen sich Bäcker, die nach eigenen Rezepten backen, was von immer mehr Bäckereien gehört und praktiziert wird. Sie reduzieren ihre Brotauswahl und backen lieber weniger Brotsorten, dafür traditionell.

8. Wie viele Bäcker verwenden Zusatzstoffe und Backmischungen?

Angesichts von 11.373 Bäckereien in Deutschland (Stand 31.12.2016) und weiterer Hersteller für Brot hat niemand (!) eine Übersicht, welcher Brothersteller wie genau arbeitet – und bei welchen Sorten. Dies gilt für Journalisten ebenso wie für die Verbände der Backbranche, die ihren Mitgliedern nicht vorschreiben dürfen und wollen, wie sie zu backen haben. Insofern sind sämtliche Mutmaßungen über den Einsatz von Zusatzstoffen im Brot höchst unseriös. Ich wiederhole: Niemand weiß genau, welche Brote traditionell gebacken werden und welche darüber hinaus weitere Zutaten enthalten.

Diese Wissenslücke nutzen gewisse Medien, die nicht auf Information, sondern auf Auflage und Quote zielen. Angst machen verkauft sich eben gut. Auch andere füllen diese Lücke mit Spekulationen, z.B. der Chef eines Enzymherstellers, der aus Propagandagründen regelmäßig posaunt, seine Produkte würden in „90 % aller Brote in Europa“ stecken – was von besagten Medien ungeprüft übernommen und als Beweis ins Feld geführt wird. Seine Konkurrenten und viele Brotbäcker schütteln bei dieser durchsichtigen Aussage den Kopf.

9. Zusatzstoffe im Brot: Eigene Einschätzung zur tatsächlichen Verwendung

Wie gesagt, weiß niemand ganz genau, welcher Bäcker bei welchen Brotsorten wie genau bäckt, auch ich nicht. Ich persönlich glaube aber, dass der Eindruck, dass kein Bäcker mehr ohne Zusatzstoffe auskommt, so nicht stimmt. Hierfür nenne ich Dir gerne 6 Indizien:

a) 1. Indiz: Jeder Handwerksbäcker genießt sein Brot mit seiner Familie auch selbst. Er wird also einen Teufel tun, da mehr reinzupacken als nötig ist. Und Zusatzstoffe sind bei handwerklicher Herstellung eben nicht nötig! Zudem hat kein Bäcker Interesse daran, teure Zusatzstoffe zu kaufen, wenn er diese nicht braucht. Viele Brote in den Bäckereien basieren auf uralten Rezepturen und wurden vermutlich nie verändert.

a) 2. Indiz: Viele der Lebensmittel-Zusatzstoffe sind bei der Brotherstellung verboten, wie oben dargestellt. Schon von daher kann es keine „300 Zusatzstoffe im Brot“ geben. Viele andere Zusatzstoffe aus der Liste machen überhaupt keinen Sinn. Warum sollte ein Bäcker seinem Brot Salzsäure (E507), Schwefelsäure (E513), Bienenwachs (E901) oder Gold (E175) zusetzen? Letzteres gilt übrigens als Farbstoff und ist im Brot schon deshalb verboten, weil Brot grundsätzlich nicht gefärbt werden darf.

b) 3. Indiz: In der Backbranche hat sich längst herumgesprochen, dass die Kunden keine Zusatzstoffe im Brot möchten. Jene Bäcker, die aufgrund von handwerklicher Herstellungsweise darauf verzichten können, tun dies nach meiner Wahrnehmung zunehmend. Sie setzen stattdessen auf weiche Teige, wenig Hefe und viel Zeit, um die erwünschte Enzymatik und deren Wirkung auf Frischhaltung, Geschmack und Bräunung auf völlig natürliche Weise zu erzeugen. Hierzu kommen oft verschiedene Vorteige zum Einsatz, bei denen Teile des Mehls mit kaltem oder heißem Wasser stundenlang vorquellen oder mit natürlichen Starterkulturen versetzt werden, um eine Fermentation zu erzeugen.

c) 4. Indiz: Es gehört zu meinen beruflichen Aufgaben, das Deutsche Brotregister zu pflegen, das als Anlage für die Anerkennung der Deutschen Brotkultur als nationales Kulturerbe diente. Gemeinsam mit den Sachverständigen des Deutschen Brotinstituts, das ich leiten darf, wurde hierbei jede einzelne Zutat jeder einzelnen Brotsorte geprüft. Erst danach wurde das Brot ins Register aufgenommen. Bislang sind dies schon über 3.200 verschiedene Brotspezialitäten – jede einzelne davon gemäß den Regeln für das Brotregister nach traditioneller Backkunst hergestellt. Leider dürfen wir die Details zum Brotregister nicht veröffentlichen, um das verbreitete Klischee ein Stück weit zu widerlegen. Damit würden wir uralte Hausrezepte verraten, die uns anvertraut wurden.

d) 5. Indiz: Zu meinen beruflichen Aufgaben gehört auch die Leitung der Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim, die sich seit Jahren über eine steigende Nachfrage nach ihren Seminaren erfreut. Jedes einzelne Fachseminar zeigt dabei traditionelle Backkunst, auch die unter Indiz Nr. 3 beschriebenen Verfahren. Warum sollte ein Bäcker Geld für Weiterbildung investieren, wenn er zu Hause nur Tüten aufreißt, wozu es kein Fachwissen braucht…? Viele Bäcker setzen das Erlernte um und berichten beim nächsten Seminarbesuch von entsprechenden Erfolgen. Manche lassen sich sogar ein Jahr lang berufsbegleitend zum Brotsommelier ausbilden, absolvieren dabei freiwillig viele Prüfungen! Dies mag nur die Spitze des Eisbergs sein, doch hier zeigt sich seit Jahren ein klarer Trend, der sich durch immer größere Teile der Branche zieht.

e) 6. Indiz: Es heißt: „Backen ist das neue Kochen“. In Deutschland hat sich eine große Hobbybäcker-Szene entwickelt. Sie informieren sich in Blogs oder in Backbüchern speziell für Nicht-Profis, dazu hier der Tipp eines Bloggers. Ambitionierte Hobbybäcker besuchen sogar unsere Profi-Seminare in Weinheim. Die mutigsten semi-professionellen Seminarteilnehmer eröffnen danach als Quereinsteiger eine Bäckerei – wozu aus rechtlichen Gründen i.d.R. noch ein Bäckermeister eingestellt werden muss. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür sind die Brotpuristen. Die „neuen Profis“ und die Blogs der (Noch-) Hobbybäcker inspirieren auch die etablierten Bäckereien mit frischen Ideen zum Brotbacken, etwa der Wiederentdeckung von alten Getreidesorten. Gerde die Nachwuchsgeneration der Backprofis ist sehr aufgeschlossen und suche neue Wege, indem sie sich verstärkt auf die Wurzeln unseres Handwerks besinnt.

10. Eine Empfehlung für Bäcker: Zurück zu den Wurzeln

Wie dargestellt, engagiere ich mich beruflich für das Deutsche Bäckerhandwerk und werde es deshalb unterlassen, hier irgendwelche Forderungen aufzustellen. Dies ist Aufgabe der Politik und der Verbände. Allerdings kann ich jedem Bäckerkollegen nur empfehlen, auf seine Kunden zu hören und verstärkt den Weg der traditionellen Brotherstellung zu pflegen. Dabei gilt: Weniger ist mehr. Es braucht nicht zwingend 15 – 25 verschiedene Brotsorten am Tag. Viele Kollegen gehen diesen Weg (den ich seit vielen Jahren in Büchern, Seminaren und Vorträgen propagiere) bereits. Manche davon jedoch leider im Stillen. Sie unterliegen damit zu Unrecht dem Klischee, dass alle Bäcker „nicht mehr selbst backen“ und viele Zusatzstoffe im Brot seien. Mehr denn je gilt daher: Gutes tun und drüber reden!

Erlaube mir daher folgenden Rat: Weise freiwillig sämtliche verwendeten Zutaten aller Brotsorten aus! Nenne dabei auch die Lieferanten, z.B. die Mühle, von der Du das Mehl beziehst! Gehe in den Dialog mit Deinen Kunden! Öffne Deine Backstube regelmäßig für Besucher! Bietet selbst Brotbackkurse an, um die entsprechende Nachfrage zu bedienen und zu demonstrieren, dass Du „richtig backen“ kannst! (Natürlich kannst Du das als Bäckermeister. Du hast es ja gelernt. Doch es gilt, dies zu zeigen, damit Dir die Kunden glauben)

11. Eine Empfehlung für Verbraucher: Dialog statt Klischees

Wer nicht mit seinem Bäcker gesprochen hat, sollte diesen nicht verurteilen – und niemand hat mit rund 11.000 Bäckereien in Deutschland gesprochen! Insofern unterlasse es bitte, Medienberichte und Gerüchte ungeprüft weiter zu tratschen und Bäcker pauschal zu verurteilen. Auch wenn es gewiss auch schlechte Bäcker gibt, trifft ein pauschales Urteil viele zu Unrecht, wie oben dargestellt. Besser ist es, den Dialog mit dem Bäcker deiner Wahl zu suchen. Lass Dir erklären, welche Zutaten er bei den einzelnen Brotsorten in den Brotteig gibt und warum. Ein guter Bäcker hat nichts zu verbergen, verwendet keine oder kaum Zusatzstoffe im Brot und freut sich über Impulse aus dem Kundenkreis.

Gerade weil Verbraucher dies immer stärker einfordern, besinnen sich immer mehr Bäcker auf traditionelle Backverfahren, die bei Brot nur Mehl, Wasser, Salz, ggf. etwas Hefe und viel Zeit erfordern (Hinweis: der hier fehlende Sauerteig ist nichts anderes als ein Teig aus Mehl und Wasser, der zum Gären gebracht wurde). Dies auch aus einem gewissen Berufsstolz heraus. Manche Bäcker wenden sogar auf freiwilliger Basis Reinheitsgebote an. Du, lieber Kunde, solltest dann aber auch bereit sein, einen Umweg zu machen und für die viele Arbeit dahinter einen anständigen Preis zu bezahlen.

12. Zusammenfassung: Zusatzstoffe im Brot

Wie dargestellt, sind Zusatzstoffe im Brot aus meiner Sicht wesentlich seltener als gemeinhin angenommen, zudem keinesfalls pauschal bedenklich. Manche davon sind lediglich natürliche Stoffe, die ohnehin im Mehl vorkommen und durch konzentrierte Zugaben das Brot verbessern. Andere Zusatzstoffe stehen aus meiner Sicht zu recht in der Kritik. Statt Panikmache und pauschale Verunglimpfung des Kulturgutes Brot lohnt sich daher eine Differenzierung und die sachliche Prüfung anhand eines persönlichen Gesprächs mit dem Bäcker Deines Vertrauens. Denn es gibt nicht „den“ Bäcker, sondern viele verschiedene mit eigenen Philosophien.

Hier findet nach meiner Wahrnehmung gerade eine Trendwende statt und gerade die jungen Bäckermeister, die ich an der Meisterschule in Weinheim seit 2006 ausbilden und formen darf, besinnen sich nach meinen Erfahrungen später sehr auf die traditionelle Brotbackkunst, die wir ihnen viele Monate lang nahe bringen.

Das gute, traditionell gebackene Brot nur aus Grundzutaten und ohne Zusatzstoffe: Es gibt es noch! Und es ist aus meiner Sicht keinesfalls so selten wie viele behaupten. Indizen hierfür habe ich Dir genannt. Solange jemand, der das alte Lied von den „vielen Zusatzstoffen im Brot“ singt, nicht ähnlich gewichtige Beweise bringt wie ich, solltest Du ihm keinen Glauben schenken. Er will Dich nur verunsichern, in der Regel zum eigenen Nutzen.