Eine der größten Herausforderungen für Bäckereien hat nicht mit der Herstellung vom Brot zu tun, sondern mit jenem Brot, das übrig bleibt, konkret dessen Entsorgung. Leider gibt es zum Thema Brotabfall keinerlei Erhebungen, um konkrete Zahlen nennen zu können, doch auf Basis meiner Erfahrungen stellt sich die Situation wie folgt dar.
Der Kunde erwartet von Bäckereien heute, dass „sein“ Produkt zum Zeitpunkt des Einkaufs stets in bester Qualität und Frische verfügbar ist. Weil die Herstellung von Backwaren aber viele Stunden dauert und die verfügbare Menge im Tagesverlauf daher nur bedingt nachgebacken werden kann, kommt kein Bäcker umhin, seine Fachgeschäfte anhand von Erfahrungswerten mit Backwaren zu bestücken. Hinzu kommt der Umstand, dass die Betreiber von Einkaufszentren und Supermärkten von den Bäckern in ihren Räumen oft vertraglich verlangen, dass das gesamte Sortiment bis zum Geschäftsschluss vorrätig sein muss.
All dies führt dazu, dass je nach Lage und Kundenfrequenz des Fachgeschäfts um die 10 % der Ware nicht verkauft wird. Der Bäcker spricht in diesem Zusammenhang nicht von Brotabfall, sondern von „Retoure“, im Brotbereich auch von „Altbrot“ oder „Restbrot“. Diese Mengen werden jedoch nur in Ausnahmefällen weg geworfen – auch weil die Entsorgungskosten heute sehr hoch sind.
Viele Backwaren halten problemlos mehrere Tage frisch. Daher wird die Ware vom Vortag zuweilen mit einem Rabatt angeboten. Größere Bäckereien betreiben teilweise sogar eigene Fachgeschäfte dafür. Hier ein Beispiel.
Brote werden, sofern die Ware stets hygienisch einwandfrei gelagert wurde und in jeder Hinsicht einwandfrei ist, auch im Ofen getrocknet und danach zu Brotmehl gemahlen. Das Brotmehl darf zu einem geringen Prozentsatz sogar bei der Herstellung von neuen Broten mit verwendet werden. Was wie eine Form der heimlichen Entsorgung klingt, ist für den Bäcker eine exzellente Möglichkeit, die Qualität seines Brotes zu erhöhen. Denn Brotmehl enthält natürliche Röststoffe aus der Kruste, die den Geschmack des neuen Brotes aufwerten. Zudem bindet Brotmehl viel Wasser, was die Frischhaltung des neuen Brotes auf natürliche Weise verbessert.
Übrig gebliebene Brötchen werden oft zu Semmelmehl gemahlen(auch „Paniermehl“ genannt) und zumeist abgepackt verkauft. Die geschilderte Verarbeitung von Retouren ist sehr aufwändig und deckt die anfallenden Mengen nur selten ab. Daher sind weitere Lösungen gefragt.
Sehr viele, gerade auch kleinere Bäckereien spenden einen Großteil ihrer Retouren an gemeinnützige Hilfsorganisationen im regionalen Umfeld wie z.B. Tafeln, welche damit Bedürftige speisen. Es gibt auch Bäcker, die ihr Altbrot verfeuern, um damit Öfen anzuheizen. Dies mag ethisch bedenklich erscheinen, ist aber weniger kritisch als die Nutzung von Getreide, um Biokraftstoffe zu erzeugen.
Größere Bäckereien, die durch ihr Filialnetz oft eine sehr hohe Retourenmenge handhaben müssen, haben oft Verträge mit Herstellern von Tierfutter oder mit Biogasanlagen.
Durch die verschiedenen Möglichkeiten reduziert sich die Menge an Backwaren, die in Bäckereien weg geworfen werden, auf ein Minimum. Berücksichtigt man dann noch, dass bei der Herstellung von Brot weder beim Landwirt noch bei der Mühle relevante Abfallmengen anfallen, ist die Gesamtbilanz der Backbranche unter dem Strich außerordentlich positiv. Das, was wirklich verloren geht, sind in der Regel nicht die wertvollen Kalorien, sondern letztlich nur die Arbeit des Bäckers – was aber schon tragisch genug ist.
Die besten Brotabfälle sind jene, die nicht anfallen. Alle Bäckereien bemühen sich schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen aktiv um die Senkung ihrer Retouren. Dazu werden zum Teil komplexe, selbstlernende Software-Produkte eingesetzt, welche die optimale Liefermenge für die einzelnen Verkaufsstellen aus Basis von individuellen Erfahrungswerten und sogar aus aktuellen Wetterprognosen ermittelt. Ferner versuchen Bäckereien, durch das bedarfsgerechte Backen in den Läden selbst die Retouren zu senken. So werden viele Kleingebäcke wie z.B. Brötchen heute in den Läden nach Bedarf gebacken, weil übrig gebliebener Teig viel besser zu verarbeiten ist als gebackene Ware. Außerdem mag der Kunde es ja so frisch wie möglich, was gut zusammen passt.
Übrigens: Nach meinem Eindruck entsteht der meiste Brotabfall nicht in Bäckereien, sondern in den Haushalten. Dies hat auch mit der Welle an Backstationen in Supermärkten und Discountern zu tun. Aufbackware wurde oft vor vielen Wochen produziert, lange tiefgekühlt oder halbgebacken gelagert und ist in der Folge nach dem Aufbacken oft nur warm zu genießen. Am nächsten Tag schmeckt diese Ware oft nicht mehr und wird daher in den Haushalten schnell weggeworfen. Eine viel bessere Lösung findest Du hier.