Lebensmittelverschwendung (Foodwaste) und Nachhaltigkeit sind brennende Themen unserer Zeit. Mehr denn je gilt es, die knappen Ressourcen unserer Erde zu wahren. Wer dies als Verbraucher konsequent umsetzen möchte, sollte um die Massenbrothaltung in den SB-Regalen der Discounter tunlichst einen Bogen machen, wie dieser Beitrag zeigt.
In Deutschland entstehen 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle im Jahr, was zu recht kritisiert wird. Während Bäckereien Maßnahmen zur Reduktion oder Vermeidung von Lebensmittelverschwendung nutzen, landen nach einer Studie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 55 kg Lebensmittel pro Kopf und Jahr im Müll privater Haushalte. Hier belegen Brot und Backwaren mit 14 % der vermeidbaren Lebensmittelabfälle eine Spitzenposition, gleich hinter Obst und Gemüse. Jeder Deutsche wirft im Schnitt 7,7 kg Brot und Backwaren pro Jahr zuhause weg, das entspricht rund 150 g pro Woche. Stell Dir einen riesigen Haufen mit 30 Baguettes oder 150 Brötchen vor und überlege, wie viele Menschen oder Tiere hiervon satt werden könnten. Dies ist die Menge an Backwaren, die Du selbst pro Jahr durchschnittlich in den Müll wirfst. Interessant auch: Je jünger der Haushaltsvorstand, desto mehr wird weggeworfen. Haushalte mit älteren Personen werfen tendenziell weniger verwertbare Lebensmittel weg.
Lange musste die Menschheit täglich darum kämpfen nicht zu verhungern. Es gab keine Lebensmittelverschwendung, weil es zu wenig Nahrung gab. Erst seit wenigen Jahrzehnten leben wir in den Industrienationen im Nahrungsmittelüberfluss. Durch die Produktivität der modernen Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie (nicht selten auf Kosten der Umwelt) ist für uns immer genügend zu essen da – während in anderen Teilen der Welt immer noch 800 Millionen Menschen hungern. Nachdem Angebot und Nachfrage den Preis regeln, sorgt das Überangebot bei uns für die niedrigsten Lebensmittelpreise weltweit. Noch vor 100 Jahren mussten über die Hälfte aller Konsumausgaben (57 %) für Nahrung ausgegeben werden, heute sind es nur noch rund 13 %. Unsere (Ur-) Großeltern kannten noch Hunger und hätten daher niemals ein Stück Brot weggeworfen, „Brotfrevel“ genannt. Stattdessen wurde das Brot bis zum letzten Krümel klug verwertet.
Man hat damals auch viel mehr Brot gegessen (und niemand wurde davon dick), was im Gegensatz zum hohen Fleischkonsum heute die Umwelt sehr schonte. Mahlzeiten waren etwas Besonderes, das in der Familie zelebriert wurde. Die Menschen waren dankbar und beteten. Brot wurde damals vor dem Anschnitt bekreuzigt. All dies gibt es nicht mehr. Heute sind die Menschen satter, aber auch einsamer. Lebensmittel sind überall verfügbar und werden oft im Vorbeigehen („to go“) gedankenlos konsumiert. Wer also nachhaltig leben und Lebensmittelverschwendung vermeiden will, muss von früher lernen. Brot war damals kein billiges Konsumgut aus dem Supermarkt, sondern ein Kulturgut mit Wert vom Bäcker, das reichlich und mit Bedacht gegessen wurde.
Bis im Jahr 1957 in Köln der erste Supermarkt öffnete, waren Lebensmittel immer regional und unverpackt, also nachhaltig. Erst durch die neue Angebotsform entstanden Plastikverpackungen, auch für Brot. Weil man Verderb durch eine Plastikfolie nicht riechen kann, wurde 1981 der Aufdruck eines Mindesthaltbarkeitsdatums in Deutschland verpflichtend eingeführt. Im Jahr 1996 wurde dann die erste „Backstation“ installiert. Seitdem gibt es vermeintlich „frische“ Backwaren auch bei Supermärkten und Discountern. Doch der ökologische Fußabdruck einer Aufbackstationen ist verheerend.
Deren Inhalt wurde in aller Regel viele Wochen vor dem Einkauf zu 80 – 90 % in einer Fabrik (deren Ort man den Kunden aus gutem Grund nicht sagt) bei 220-260 Grad gebacken. Danach bringen Förderbänder sie in einen Schockfroster mit minus 30 Grad. Die gefroreren Gebäcke werden dann in Plastiksäcke geworfen, diese zugeklebt und in Kartons verpackt, welche auf Paletten kommen, die wieder mit Plastik umwickelt werden. Ein „frisches“ Gebäck aus der Aufbackstation ist schon Wochen alt und war dreifach verpackt. Nach vielen Wochen und Kilometern landen die eiskalten Klumpen im Handel, wo sie erneut bei bei 220-260 Grad aufgebacken werden, um den Eindruck von Frische zu erwecken. Das ist ökologischer Wahnsinn! Im Gegenzug dazu kommt das Brot Deines Bäckers stets aus deiner Region. Es war nie gefroren und bleibt vom Teig über den Ofen bis zum Verkauf völlig unverpackt. Erst beim Einkauf landet es in einer dünnen Papiertüte. Entscheide selbst, was nachhaltiger ist.
Ein Baguette für 39 Cent, ein Kilo Brot für 99 Cent? Die regelmäßigen Lockvogel-Angebote der Discounter haben dem Brot seinen Wert genommen. Und doch ist Bäckerbrot unter dem Strich billiger als das Brot beim Discounter. Denn die vor vielen Wochen produzierte und nur kurz aufgebräunte Aufbackware ist verfahrensbedingt oft nur solange genießbar, wie sie halbwegs warm ist, während ein gutes Brot vom guten Bäcker lange frisch hält. Die Folge ist besagte Lebensmittelverschwendung.
Der Einkauf beim regionalen Bäcker erhält zudem Arbeitsplätze vor Ort, damit kurze Arbeitswege für dessen Team, was ebenfalls der Umwelt hilft. Der Bäcker kauft sein Mehl meist bei einer Mühle in der Region und diese bei regionalen Landwirten. Auch dies hält die Wege kurz und stärkt zudem die regionale Wirtschaft. Nachhaltigkeit pur! Und nicht zu vergessen: Nachhaltigkeit bedeutet auch, dass man im Alter einen warmen Platz nahe am eigenen Wohnort hat, wo man einkaufen und seine Nachbarn treffen kann. Während die Kassenschlange bei Lidl gewiss nicht der beste Platz dafür ist, stellt die regionale Bäckerei das Herz einer jeden Gemeinde dar und ist in unserer immer einsameren Welt mit sehr angenehmen Emotionen verbunden, vom warmen Ambiente über die Vielfalt des Angebots bis zum Lächeln der Verkäuferin. In jenen Orten, wo es keinen Bäcker mehr gibt, fehlt kein Brot. Das gibt es inzwischen ja an jeder Tankstelle. Es fehlt Seele!
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