Zum Thema Brotreise

Backwarenmarkt in Japan und Einblicke in japanische Bäckereien

In diesem Blogbeitrag möchte ich Euch vom Backwarenmarkt in Japan und Bäckereien in Tokio berichten, auf Basis der Erfahrungen einer beruflichen Reise nach Japan im Februar 2017. Genannte Werte und Angaben zum Backwarenmarkt im Japan beziehen sich auf diesen Zeitraum, sofern nicht anders genannt. Wer noch nicht in Japan war, dem öffnet sich eine neue Welt. Versprochen…

Kapitel

  1. Tokio: die größte Metropole der Welt
  2. Japan: Entwicklung vom Reisland zum Brotland
  3. Eine andere Welt, auch beim Essen
  4. Deutsches Brot mit schlechtem Image
  5. Backwarenmarkt in Japan: industriell dominiert
  6. Auf der Suche nach handwerklichen Bäckereien in Tokio
  7. Andersen: eine der erfolgreichsten Bäckereien in Japan
  8. Brotheim: Deutsche Backwaren in Tokio
  9. Daisy: erfolgreichste Handwerksbäckerei Japans
  10. Eine Bitte zum Schluss
  11. Ergänzende Infos eines Japan-Experten
  12. Ergänzende Infos eines deutschen Bäckers in Tokyo

Tokio: die größte Metropole der Welt

Tokio ist mit den zahlreichen angrenzenden Städten – die vom Namen her bekannteste ist Yokohama – nahtlos zusammengewachsen und bildet so die größte Metropolregion der Welt, mit rund 38 Millionen Einwohnern. Ziel der Reise war das NKS Japan Cake and Confection College, wo ich mit Robert Schorp aus unserem Fachlehrerteam die Deutsche Backkunst in Theorie und Praxis vermittelt habe. Auch das Japan Institute of Baking (JIB) wurde besucht. Zuletzt waren wir im Jahr 2008 vor Ort.

Nachdem wir seinerzeit auf dem Airport Tokyo Narita gelandet sind, der sich im Osten der Stadt befindet und näher am JIB liegt, war diesmal der Airport Tokyo Haneda das Einfallstor zur Stadt: der weltweit viertgrößte Airport. Dieser Blogbeitrag entstand maßgeblich am Gate und beim Rückflug, welcher trotz Direktflug über 11 Stunden dauerte – was auch die Länge des Beitrags erklärt ;-) Aufgrund der großen Zeitverschiebung von 8 Stunden (als ich einmal im Büro anrief, hatten das Team dort morgens gerade angefangen und in Tokio wurde es so langsam wieder dunkel) sind wir nach der Uhr aber „nur“ ca. 4 Stunden später gelandet.

Dass es sich in Japan um eine gänzlich andere Welt handelt, zeigt sich in vielen Details und an unzähligen Stellen. So trugen etwa die Hälfte der Menschen im öffentlichen Raum schon damals weiße Masken vor Mund und Nase, um sich und andere vor Ansteckung zu schützen – was in Europa erst mit Beginn der Coronakrise im März 2020 zu sehen war. Es gibt in Japan zudem Linksverkehr und eine wirklich hervorragende Infrastruktur: die S-Bahn kommt alle 3-4 Minuten und stets auf die Sekunde pünktlich! Interessant sind auch die japanischen Toiletten: wahre Hightech-Produkte mit zahlreichen Funktionen, sehr komplexer Steuerung (in japanischen Schriftzeichen – ausprobieren macht Spaß) und stets beheizten Sitzen. Doch legen wir den Schwerpunkt lieber auf den Anfang der Nahrungskette :-)

Tokio: die größte Metropole der Welt

Tokio: die größte Metropole der Welt
Tokio: die größte Metropole der Welt
Tokio: die größte Metropole der Welt

Backwarenmarkt in Japan: Entwicklung vom Reisland zum Brotland

Reis ist das traditionelle Getreide Japans. Das Wort für Reis (gohan) wird auch für Essen im allgemeinen benutzt, woran man die Bedeutung dieses Grundnahrungsmittels erkennt. Das Brot kam im 16. Jahrhundert mit jesuitischen Missionaren aus Portugal nach Japan. Das japanische Wort für Brot („Pan“) ist ein Überbleibsel aus der portugiesischen Sprache. Nach dem 2. Weltkrieg kamen Backwaren aus Nordamerika wie z.B. Toastbrot hinzu, später auch französische. Typisch deutsche Backwaren haben in Japan leider nur eine sehr geringe Marktbedeutung und sind dem Endverbraucher kaum bekannt, dazu später mehr. Maßgebliche Backwaren im Markt sind die japanischen Melonpan, Cremepan, Anpan und Kashipan, hinzu kommen typisch französische Backwaren wie Baguette und Croissant. Wie man hört, soll die japanische Regierung mit dem steigenden Konsum von Backwaren nicht sehr glücklich sein, weil fast der gesamte Weizen importiert werden muss.

Nach Angaben der Fa. Tsukishima Foods, die wir kurz besucht haben, essen Japaner inzwischen mehr Brot als Reis. Genannt wurde ein Verhältnis von 54 % zu 46 %. Hierbei sollen die eher traditionell orientierten Einwohner von Kyoto nach Erkenntnissen aus deren Marktforschung eine Hochburg der „Brotesser“ sein. Im Schnitt werden in Japan aber nur 2.500 japanische Yen (umgerechnet rund 20 Euro) pro Person und Monat für Brot ausgegeben, was zeigt, dass noch etwas Luft nach oben ist, übrigens auch in Sachen Brotqualität. Hier gibt es noch viele Chancen für mutige Bäckermeister/innen. Sollte sich jemand berufen fühlen, diese zu nutzen, kann ich ihm oder ihr gerne weitere Informationen geben.

Tsukishima produziert maßgeblich Margarine, betreibt aber auch eine personell wie maschinell exzellent ausgestattete Versuchsbäckerei, die Produktentwicklungen für ihre Kunden betreibt. Hier durfte ich einige „Dauerbrenner“ aus dem Backwarenmarkt in Japan – genannt sei nur das allgegenwärtige Melonenbrot und Steam Cake, welches im Dampf gebacken wird – ebenso probieren wie einige Neuentwicklungen. Spannend! Weil Butter in Japan sehr teuer ist, hat Tsukishima übrigens gerade eine Margarine entwickelt, die nahezu gleich schmeckt, aber nur ein Drittel kostet. Bei den Butterpreisen in Europa waren derlei Kunstgriffe m.E. nicht notwendig, was sich aber durch die Folgen des Ukranie-Konflikts im Jahr 2022 geändert haben könnte.

Japan – vom Reisland zum Brotland

Eine andere Welt, auch beim Essen

Mein Kollege und ich waren in der Woche des Aufenthalts mehrfach zu typisch japanischen Essen eingeladen, die stets aus mehreren Gängen bestanden, aber unterschiedliche Ausprägungen hatten. So gibt es natürlich viele Sushi-Restaurants, wobei das japanische Original viel unterschiedlichere rohe Fische kennt und der Anteil von Fisch zu Reis weitaus größer ist. Ferner sind Tempura-Restaurants typisch, bei dem nach den unweigerlichen Sashimi-Vorspeisen (roher Fisch) die Hauptgänge frittiert wurden, zuweilen in offenen Küchen vor den Augen der Gäste.

Auch „Shabu Shabu“ war eine spannende Erfahrung, eine Art japanisches Fondue. In der Mitte des Tisches werden hierbei Herdplatten gestellt, darauf Töpfe mit verschieden gewürzten, heißen Brühen. Mit den allgegenwärtigen Stäbchen – wer diese Technik nicht beherrscht, hat keine Chance, in Japan zurecht zu kommen – wurden verschiedene Gemüse und hauchdünn geschnittenes Fleisch getaucht, bis sie gar waren. „Shabu Shabu“ steht für das Hin- und Herschwenken der Speisen in der Brühe. Dass alle sich die Stäbchen oft mit Häppchen in den Mund stecken und hierher wieder in die gemeinsame Brühe tauchen, sollte angesichts deren Temperatur kein Problem sein. In einem anderen Restaurant war eine heiße Grillplatte in den Tisch eingelassen und die Gäste haben dort selbst gegrillt, nachdem sie je nach Wahl Gemüse, Shrimps oder Fleisch zuvor mit etwas Ei und Mehl gemischt und auf der Grillplatte selbst zu einer Art Burger-Pattie geformt und gebraten haben. Eine sehr kommunikative, unterhaltsame Form des gemeinsamen Essens. Warum gibt es so etwas eigentlich nicht in Deutschland?

Insgesamt ist die Vielfalt an Speisen in Japan deutlich höher als hierzulande, mit starkem Schwerpunkt auf Fische und Meeresfrüchte. Offen gesagt bin ich persönlich kein großer Freund von Seefood und musste häufig über den eigenen Schatten springen (Fische werden z.T. mit Kopf und Schwanz und frittierte Langusten außerdem auch mit den harten Bärtchen gegessen), um die Gastgeber nicht zu beleidigen, empfand dies aber als spannende und bereichernde Erfahrung. In bester Erinnerung ist mir das feinmarmorierte Wagyu-Beef geblieben, das in Japan weniger teuer ist als bei uns und daher allgegenwärtig erschien.

Die meisten besuchten Restaurants hätten wir als Touristen wohl nie gefunden, weil die Schrift außen ausschließlich aus japanischen Schriftzeichen bestand, ebenso wie die Speisekarten. Weder die Speisen noch die Preise hierfür waren für uns zu lesen, wie das Bildbeispiel zeigt. Man sieht von außen oft nicht einmal, dass es sich um ein Restaurant handelt, demzufolge kenne ich bis heute nicht deren Namen. Jene Restaurants, die sich im Umfeld großer Hotels befinden und dementsprechend auf Touristen eingestellt sind, sollen dem Vernehmen nach weniger Original und deutlich teurer sein. Hilfreich ist, dass bei jenen Restaurants alle angebotenen Speisen hochkant im Schaufenster stehen, aus Wachs oder Kunststoff und überraschend authentisch nachgebildet. Dies vermittelt einen guten Eindruck davon, was man später bekommt und erleichtert durch Draufzeigen auch die Bestellung. Ach ja: bei all diesen Einladungen war kein einziges Mal Brot auf dem Tisch…

Eine andere Welt, auch beim Essen

Eine andere Welt, auch beim Essen
Eine andere Welt, auch beim Essen
Eine andere Welt, auch beim Essen
Eine andere Welt, auch beim Essen
Eine andere Welt, auch beim Essen

Backwarenmarkt in Japan: Deutsches Brot mit schlechtem Image

Wie bereits geschildert, haben typisch deutsche Backwaren vor Ort nahezu keine Marktbedeutung. Die meisten Japaner kennen derlei nicht. Allerdings hat sich in Japan vor 10 Jahren der Verein „Versammlung Weiterbildung für deutsche Brote und Kuchen“ gegründet, deren Vorsitzender Herr Hirokazu Kurata uns zum Jubiläum zu einem Seminar eingeladen hatte – der Grund unseres Besuchs. Herr Kurata ist nach eigener Aussage der erfolgreichste Handwerksbäcker Japans (dazu später mehr), stets gut drauf und ein überzeugter Fan von deutschem Brot. Ich kenne ihn schon viele Jahre, auch weil er mehrfach mit japanischen Gruppen in Weinheim und bei internationalen Backwettbewerben präsent war. Einer seiner Mitarbeiter war erst vor zwei Wochen im japanischen Team der Sigep International Bread Competition in Rimini/Italien (eine der Weltmeisterschaften unserer Branche), die ich als Mitglied der internationalen Jury begleiten durfte.

Leider hat deutsches Brot in Japan das Image „hart und sauer“ zu sein. Nach Angaben von Hirokazu Kurata ist das deutsche Brot vor rund 30 Jahren zusammen mit dem französischen nach Japan gekommen, war seinerzeit aber stark roggenlastig und demzufolge sehr kompakt, mit dicker Kruste und kräftiger gesäuert. Kein Vergleich zu den locker-leichten Broten aus Frankreich. Ein Fehler! Man hätte damals wohl mit Weizen- und Weizenmischbroten starten sollen. Demzufolge haben sich französische Backwaren wie Baguettes, Croissant im Markt weit verbreitet und man findet vor Ort zahlreiche Bäckerei-Filialisten aus Frankreich und noch mehr, die sich französisch geben. Dazu gleich mehr.

Das Seminar selbst fand an unserer Partnerschule NKS Japan Cake und Confection College statt, die auch Bäcker ausbildet und regelmäßig mit Schülergruppen nach Weinheim kommt. Deren Direktor Herr Akita ist mit seinen 72 Jahren noch immer hochengagiert und tut dies auch im Vorstand des Vereins. Zu den 110 sehr interessierten Teilnehmern unseres Seminars gehörten auch 40 Bäckerschüler und 8 Journalisten. Nachdem ich in Weinheim aufgrund vieler anderer Aufgaben nur sehr selten dazu komme, Hand an den Teig zu legen, machte es mir großen Spaß, nach einer kurzen Präsentation über unser Haus und den deutschen Backwarenmarkt wieder einmal aktiv schöne Brote in verschiedenen, auch kunstvollen Formen sowie Stollen zu backen. Nichts verlernt ;-) Das Teamplay mit meinem Kollegen Robert Schorp war ausgezeichnet und gemeinsam haben wir die Teilnehmer sehr begeistern können, wie die zahllosen Rückfragen nach dem Seminar unterstrichen. Schwerpunkt des Interesses war dabei der Sauerteig.

Unserer zweiten Partnerschule in Tokio, das von Herrn Dr. Inoue geleitete Japan Institute of Baking, wo wir Jahr 2008 ein dreitägiges Seminar durchgeführt hatten, konnten wir ebenfalls einen Besuch abstatten und bei einem Meeting gemeinsame Pläne schmieden (die später durch Corona erst mal auf Eis gelegt wurden).

Deutsches Brot mit schlechtem Image: „hart und sauer“

Deutsches Brot mit schlechtem Image: „hart und sauer“
Deutsches Brot mit schlechtem Image: „hart und sauer“
Deutsches Brot mit schlechtem Image: „hart und sauer“
Deutsches Brot mit schlechtem Image: „hart und sauer“

Backwarenmarkt in Japan: Industriell dominiert

Im Gegensatz zu Deutschland, wo das Bäckerhandwerk einen hohen Stellenwert genießt und familiengeführten Bäckereien einen festen Platz im Markt haben, ist der Backwarenmarkt in Tokio und ganz Japan eindeutig industriell dominiert. Die Fa. Yamazaki, mit umgerechnet 7,5 Milliarden Euro Umsatz zweitgrößter Backwarenproduzent weltweit, hat mit (je nach Quelle) 60 – 70 % Marktanteil in Japan nahezu ein Monopol. Yamazaki ist in vielen weiteren Ländern aktiv und mit über 100 weiteren Backwarenherstellern auch Miteigentümer des Japan Institut of Baking. In Kursen, die stets 100 Tage dauern, erlernen japanische Bäcker mit ein paar Jahren Berufserfahrung dort die wichtigsten Skills der Backwarenproduktion, bevor sie wieder zu ihren Unternehmen zurückkehren.

Der japanische Backwarenmarkt ist industriell dominiert

Der japanische Backwarenmarkt ist industriell dominiert
Der japanische Backwarenmarkt ist industriell dominiert
Der japanische Backwarenmarkt ist industriell dominiert

Backwarenmarkt in Japan: Auf der Suche nach handwerklichen Bäckereien in Tokio

In Japan eine Bäckerei zu eröffnen, ist (für Japaner) sehr einfach. Zugangsbeschränkungen wie z.B. eine Ausbildung oder gar einen Meisterbrief wie in Deutschland gibt es nicht. Dennoch sind im Stadtbild nur sehr, sehr wenige Bäckereien zu finden. Man findet sie eher in den Einkaufszentren, dort stets dann auch die gleichen Marken.

Im Stadtteil Futako Tamagawa des riesigen Stadtbezirks Setagaya, wo sich neben besagter Schule auch unser Hotel befand, hat die Firma Tokyu (großer privater Bahnbetreiber in Japan) einen neuen, riesigen Shoppingkomplex namens „Rise“ gebaut. Dieser besteht aus mehreren durch Straßen und einer Art Fußgängerzone getrennten Gebäuden, in denen sich jeweils ein riesiges Einkaufscenter westlichen Standards befindet. Wer immer noch glaubt, dass Asien Europa in der Entwicklung hinterherhinkt, sollte sich das anschauen – hier wirkt dies umgekehrt. Man findet dort leider auch die gleichen Marken wie überall auf der Welt: McDonalds, KFC, Starbucks, H&M, Louis Vuitton usw. Die Einkaufswelt wird zunehmend monotoner!

In zweien der Gebäude befindet sich im Untergeschoss jeweils eine hochspannende Tokyu Food Show (Link führt zu einem externen Video). Dabei handelt es sich um eine Art unterirdisches Food-Paradies, vergleichbar mit der Feinkostabteilung im KaDeWe in Berlin oder Harrods in London. Mit dem Unterschied, dass die Vielfalt der Speisen weitaus größer und neben allen gängigen europäischen auch vielerlei asiatische Spezialitäten bietet.

In den Tokyu Foodshow im Stadtteil Satagaya (es gibt weitere, u.a. im Stadtteil Shibuya) finden sich auch Outlets der Bäckereien Paul, Fouchon und Les Deux Magots aus Frankreich, zudem lokale Anbieter wie Saint Germain, R Baker, La Terre Bio oder Signifiant Signifié, die sich französisch geben. Deutsche Bäckereien oder deutsche Backwaren? Fehlanzeige! Angesichts dessen, dass unser bewusst mildes Weizenmischbrot 80/20 die Teilnehmer des Seminars bei der Verkostung ebenso begeisterte wie andere deutsche Spezialitäten, ist hier noch sehr viel Markt…

Handwerkliche Bäckereien in Tokio

Handwerkliche Bäckereien in Tokio
Handwerkliche Bäckereien in Tokio
Handwerkliche Bäckereien in Tokio
Handwerkliche Bäckereien in Tokio
Handwerkliche Bäckereien in Tokio
Handwerkliche Bäckereien in Tokio

Andersen: ein großer Player im Backwarenmarkt in Japan

In besagten Einkaufszentren befand sich jeweils auch eine sehr gut gemachte Filiale der Andersen Group, die mit umgerechnet über 500 Millionen Euro Umsatz zu den großen Playern im japanischen Backwarenmarkt gehört und u.a. Bäckereifilialen betreibt. Der Name soll vom dänischen Dichter Hans Christian Andersen inspiriert worden sein. Wir, das Team der Bundesakademie Weinheim, sind stolz darauf, seit vielen Jahren deren Fortbildungspartner zu sein. Wer in der handwerklichen Schiene von Anderson eine gewisse Hierachie-Stufe erreichen möchte, muss zuvor nach Weinheim, schon seit vielen Jahren. Dies wird stets ergänzt um einen Aufenthalt an unserer Partnerschule in Frankreich und ein mehrwöchiges Praktikum in einer deutschen Bäckerei.

Andersen gehört zu den wohl erfolgreichsten Bäckereien in Tokio und in Japan. Im Marktauftritt und in den Produkten präsentiert sich die Bäckerei französisch, ergänzt um typisch japanische Backwaren wie Melonenbrot oder Steamcake. Diese sind in aller Regel gesüßt. Auch eine Art Rosinenbrötchen und Schokobrötchen sind zu finden.

Andersen, Top-Bäckerei in Japan

Andersen, Top-Bäckerei in Japan
Andersen, Top-Bäckerei in Japan
Andersen, Top-Bäckerei in Japan

Brotheim: Deutsche Bäckerei in Tokio

Schon seit 30 Jahren (Gründung 1987) betreibt der sympathische Bäcker Katsuhiko Akashi sehr erfolgreich eine deutsche Bäckerei mit Café und bildet damit eine der wenigen Ausnahmen in Tokio. Die Bäckerei heißt „Brotheim“ – deutsch geschrieben. Das Café nebenan nennt sich „Kaffee Seebach“ und empfängt die Besucher mit holzvertäfelten Wänden, Bildern und Souvenirs aus Deutschland sowie klassischer Musik. Herr Akashi ist Fan von Johann Sebastian Bach.

Das Sortiment von Brotheim ist hinsichtlich Auswahl und Qualität vergleichbar mit einer deutschen Bäckerei, von der Kaisersemmel über Brezel, Roggenmischbrote bis zum Vollkornbrot, dessen Getreide er im Keller selbst mahlt. Die Preise der Produkte sind ungefähr doppelt so hoch wie in Deutschland (die Kaisersemmel kostete umgerechnet 70 Cent), was aber durch den ohnehin höheren Preis in Tokio und die hohe Qualität gerechtfertigt wird. Brotheim ist natürlich eine Pilgerstätte für Deutsche in Tokio, jedoch auch bei japanischen Kunden sehr beliebt. Während unseres etwa einstündigen Besuchs dort waren im Laden stets nur Japaner zu sehen.

Produziert wird in einer sehr engen, aber gut strukturierten Backstube gleich hinter dem Laden. Manche der Rezepte sind von früheren Seminarbesuchen in Weinheim inspiriert. Herr Akashi versteht es auch, sein Team zu binden. Unmittelbar vor unserem Besuch war die Bäckerei drei Tage lang geschlossen und das Team gemeinsam im Skiurlaub. Neben Brotheim gibt es noch wenige weitere deutsche Bäckereien im Raum Tokio, wie hier beschrieben wird.

Brotheim: Deutsche Backwaren in Tokio

Brotheim: Deutsche Backwaren in Tokio
Brotheim: Deutsche Backwaren in Tokio
Brotheim: Deutsche Backwaren in Tokio

Daisy: eine der erfolgreichen Handwerksbäckereien Japans

Die Bäckerei Daisy des oben erwähnten Hirokazu Kurata gehört dem Vernehmen nach zu den erfolgreichen handwerklichen Bäckereien in Japan. Sie liegt in Kawaguchi-City, einer Stadt nördlich von Tokio, die aber wie viele andere umliegende Städte auch längst nahtlos mit der Metropole zusammengewachsen ist, die sich daher wie eine einzige gigantische Stadt anfühlt.

Jedes der zwei Geschäfte, die wir besucht haben, macht nach seinen Angaben 300 Millionen Yen Jahresumsatz (umgerechnet 2,5 Millionen Euro!) und es gibt noch vier andere Standorte, alle im Umkreis von 10 km um den Hauptsitz. Weitere sollen bald hinzukommen. Die Bäckerei beliefert auch den Handel.

Daisy wurde von Herrn Kuratas Großvater im Jahr 1962 gegründet und beschäftigt etwas über 100 Mitarbeiter. Es gibt eine zentrale Produktion für Toastbrote und das Liefergeschäft, doch hinter jedem Laden befindet sich nochmals eine größere Backstube, in der frisch produziert wird. Interessant ist u.a. ein großer, gemauerter spanischer Backofen in der Produktion, in der besondere Spezialitäten gebacken werden.

Das Sortiment von Daisy ist (wie auch der Firmenname) französisch inspiriert und umfasst eine breite Auswahl aus Bäckerei und Konditorei. Passende Hintergrundmusik wie z.B. Musette-Walzer untermalen das Flair. In einer der Filialen betreibt Daisy auch eine Pizzeria im Obergeschoss. Dort gibt Herr Kurata auch Kundenseminare, etwa zum Thema Brot und Käse. Der Betrieb ist definitiv einen Besuch wert!

Daisy: erfolgreichste Handwerksbäckerei Japans

Daisy: erfolgreichste Handwerksbäckerei Japans
Daisy: erfolgreichste Handwerksbäckerei Japans
Daisy: erfolgreichste Handwerksbäckerei Japans
Daisy: erfolgreichste Handwerksbäckerei Japans
Daisy: erfolgreichste Handwerksbäckerei Japans
Daisy: erfolgreichste Handwerksbäckerei Japans
Daisy: erfolgreichste Handwerksbäckerei JapansDaisy: erfolgreichste Handwerksbäckerei Japans
Daisy: erfolgreichste Handwerksbäckerei Japans
Daisy: erfolgreichste Handwerksbäckerei Japans

Eine Bitte zum Schluss

Wie ihr merkt, gebe ich in diesem Bericht zahlreiche Insidertipps und wichtige Hinweise zum Backwarenmarkt in Japan und zu Bäckereien in Tokio (Tokyo) weiter. Weil das Leben aus „geben und nehmen“ besteht, freue ich mich über Hinweise, wenn diese genutzt werden sowie weitere Tipps. Über Kommentare freue ich mich ebenfalls.

Insgesamt kann ein Besuch in Tokio trotz langer An- und Abreise nur empfohlen werden. Auf der japanischen Hauptinsel, noch hinter Russland und China im pazifischen Ozean gelegen, öffnet sich eine neue Welt, auch in Sachen Brotkultur.

Ergänzende Infos zum Backwarenmarkt in Japan von einem Insider

Der nachfolgende Kommentar ist per E-Mail eingegangen und wird hier mit freundlicher Zustimmung des Absenders Klemens Maginot veröffentlicht. Die Ausführungen stellen die Meinung des Absenders dar. Für seine tiefen Einblicke als Insider, Qualität und Umfang der Ausführungen sowie die Genehmigung zur Publikation bedanke ich mich aufrichtig! 04.04.2017 Bernd Kütscher

Sehr geehrter Herr Kütscher,

im Nachgang zu Ihrer E-Mail vom 16.02.2017 und dem Bericht „Erfolgreiches Seminar in Tokio“ nachfolgend noch einige Anmerkungen.

Sie schreiben, dass der Eigentümer von Daisy, nach seiner Aussage, deutsches Brot in Japan das Image hat, „hart und sauer“ zu sein. Deutsches Brot, hauptsächlich in der Zusammensetzung 70W/30R, gab es schon viel früher und in sehr guter Qualität, aber nur in wenigen Bäckereien geführt von deutschen Bäckermeistern, die in Japan gestrandet sind wie, z.B. BM Freundlieb in Kobe. Wobei die Qualität sehr nachgelassen hat, wie ich bei meinem letzten Besuch, liegt schon etwas länger zurück, feststellen mußte.

Da Japaner sich im Allgemeinen gesundheitsbewußt ernähren, vor allen Dingen die Frauen, sind sie den Roggenbrote positiv eingestellt, weil viele der Meinung sind, dass es gesünder ist. Es sollte (muß) aber weich und saftig sein, mit einer milden Säuerung. Japaner wollen, obwohl sie selbst verschiedene säuerliche Lebensmittel essen (z.B. saure Gurken/suzuke no kyuri etc.) dies nicht bei anderen Lebensmittel, weil sie auch ein anderes Säureempfinden haben.
Deshalb befindet sich der Umsatz von deutschem Sauerkraut (z.B. Hengstenberg) auf sehr niedrigem Niveau. Da japanische Bäcker im Prinzip keine Erfahrung mit roggenhaltigen Teigen haben, und diese von Natur aus klebriger sind, werden die Teige zu fest geführt und dadurch sind sie zu trocken und hart. Das gleiche habe ich vor einigen Monaten auch in Ägypten erlebt.

Die japanischen Mehle haben auch einen geringeren Aschegehalt. Bäckereitechnologisch ist der Aschegehalt deshalb von Bedeutung, weil er ein Maß für die Pufferkapazität des Teiges ist. Ist die Pufferkapazität groß, wie z.B. bei aschereichen Mehlen, dann sinkt der pH-Wert bei Säurezugabe nur wenig. Mehle mit niedrigem Aschegehalt besitzen deshalb geringe Pufferkapazität. Wird ein helles Mehl, also aschearmes Mehl bei sonst gleicher Rezeptur eingesetzt, ist die Pufferkapazität niedriger, so dass der pH-Wert im Teig beträchtlich sinkt. Dies kann zur Übersäuerung und zu kleinerem Brotvolumen führen. Deshalb müssen helle Mehle geringer versäuert werden, was vielen japanischen Bäckern garnicht bewußt ist.

Die japanischen Weizenmehle entsprechen fast alle unserer Type 405, einen geringen Unterschied gibt es bei den Mehlen (z.B. Lys D`or, France, Napoleon etc.) die speziell für die Herstellung von franz. Backwaren bzw. Hefeteige/Süßteige abgestimmt und deshalb nicht ideal für die Brotherstellung geeignet sind.
Für saftige Brote mit viel Geschmack und langer Frischhaltung sind dagegen ganz andere Mehle notwendig, nämlich enzymaktivere Weizenmehle mit niedrigen Fallzahlen unter 250 und niedrigere Amylogrammwerten. Solche Mehle verbessern die Frischhaltung was besonders von den japanischen Konsumenten gewünscht wird.
Wenn Brote mit einem Roggenanteil von 10 – 20% hergestellt und als Deutsches Brot angeboten wird, dann entsteht eine gewisse Unglaubwürdigkeit, weil diese mehr als Pain de Campagne oder etwas roggenlastiger als Pain de Seigle verkauft werden. Die Bäckerei Andersen hatte vor Jahren ein ganzes Sortiment unter der Bezeichnung Pain de Campagne: Pain de Campagne, Pain de Campagne au Seigle, Campagne long, Boule de Campagne (in der Produktbeschreibung steht, dass der Sauerteig aus Deutschland kommt), Petite Campagne, Pain de Rustique, Pain de Epi, Pain de Cereales, Pain de Seigle, Pumpernickel (hergestellt mit viel Roggen und wird gerne zu Fischgerichten gegessen,lt. Produktbeschreibung). Als ich vergangenen Dezember Andersen in Kyoto mehrmals besucht bzw. dort eingekauft habe, gab es von den vorgenannten Brote nur noch 2 Sorten.

In Japan existiert das Problem, dass die Erwartung der Bäckereibesitzer und deren Kunden konträr sind. Viele Bäckerei-besitzer haben die Idee, dass das Brot für den japanischen Backwarenmarkt genauso aussehen und schmecken soll wie in Deutschland. Immer wieder fällt das Wort „Original“. Nur, der japanische Konsument will z.B. kein bemehltes Brot, er assoziert damit eine Schimmelbildung auf der Oberfläche des Brotes und lehnt dieses Brot ab. Eine glänzende Oberfläche, Boden ohne Mehl, das spricht den japanischen Verbraucher an. Ebenso Körner/Körnermischungen, alles was hart und fest ist, ist nicht von Vorteil, weil die Japaner es ablehnen auf harte/feste Lebensmittel zu beißen, es soll weich und zart sein, weil Japaner nicht lange kauen und ziemlich schnell und ebenso heiß essen. Deshalb haben Japaner weltweit die meisten Magenprobleme.

Wenn Sie wieder einmal in Japan bzw. Tokio sind, dann sollten Sie einmal die Bäckerei KIMURAYA (Ginza Kimuraya) besuchen und im Obergeschoß auch zu Mittag esen. Hier können Sie sehr gut beobachten wie Japaner Mittagstisch und Brot/Backwaren verbinden. Im Erdgeschoß befindet sich der Verkaufsraum und Sie bekommen den Eindruck, dass Japaner nur noch Brot/Backwaren essen und dem Reis abgeschworen haben. KIMURAYA hat 1875 das An-pan (mit ganz besonderen Zutaten) kreiert und dem Kaiser Meiji gewidmet. Adresse: Ginza Kimuraya, 4 – 5 – 7 Ginza, Chuo – Ku, Tokio. Das Geschäft ist einfach zu erreichen. Entweder mit dem Taxi oder mit der Bahn bis YURAKUCHO (Bahnhof).

Was für den Backwarenkonsum nachteilig ist: Japaner lieben Nudeln, nicht nur ihre eigenen Kreationen, wie Ramen (Nudelsuppe), Soba (aus Buchweizen), Somen (dünne Nudeln), Udon (japanische Makkaroni), Yaki-soba (gebratene Weizennudeln), Yaki-udon (gebratene japanische Makkaroni), Gyoza (Art Ravioli) sondern auch Spagetti, Gratin, usw. Ich habe mich in den vergangenen Wochen in meinem japanischen Freundes-/Bekanntenkreis über deren Backwarenkonsum informiert. Deren Aussage entspricht exakt der Statistik die ich Ihnen zugeschickt habe. Frühstück: Personen im mittleren Alter und ältere Personen essen Tostbrot mit Wurst/Konfitüre etc. Junge Familien essen kein Toastbrot mehr sondern Kashi pan und/oder Butter roll. Mittagessen: meistens Nudeln (außer Haus in Verbindung mit Brot Baguette/Butter roll) oder Reisgerichte. Abendessen: Reis. Dazwischen: später Vormittag/Nachmittag Kashi pan.

Der Verzehr von Nudeln hat in letzten Jahren stark zugenommen, besonders für das Mittagessen. In den Schulen und vielen Betriebskantinen wird hauptsächlich Reis serviert. Auch in den Lunchboxen (O-bento) wird hauptsächlich Reis serviert. Das bedeutet, dass Toastbrot, Baguette etc. weniger konsumiert wird, aber Kashi pan verstärkt nachgefragt wird. Die Frage ist, wann, zu welcher Tageszeit bzw. Gericht sollen Japaner Brot essen. Wenn sie in ein Restaurant westlichen Stils gehen, dann wird zu bestimmten Gerichten Brot in dünnen Scheiben gereicht ebenso Butter roll etc. Zuhause, ganz selten, auch wenn sie sogenannte westliche Gerichte essen. Abendbrot, kalt mit Wurst, Käse etc. in Verbindung mit Brot kennt der Japaner nicht sondern will warm essen. Sandwich, die sehr beliebt sind, werden ausschließlich mit Toastbrot hergestellt wobei jedesmal alle Ränder (Kruste/Kante) abgeschnitten wird und nur noch das weiße/helle Toastbrot übrig bleibt. Wie schon vorher erwähnt, Japaner wollen keine harte Kruste. Alles soll weich und saftig sein. Deshalb werfen Japaner auch viele Backwaren weg, die älter als 2 Tage sind, sie sind einfach nicht mehr frisch. Ganz besonders in den Sommermonaten wenn eine hohe Luftfeuchte vorherrscht und es sehr warm werden kann, beginnen die Backwaren sehr schnell zu schimmeln. Um dies zu verhindern werden in vielen Backwaren und japanischen Lebensmittel Propionsäure verarbeitet.

Mit freundlichen Grüßen

Klemens Maginot

Infos eines deutschen Bäckers in Tokio zum Backwarenmarkt in Japan

Die nachfolgenden Ausführungen kommen von Benjamin Kowarsch, der in Tokio seit 2021 eine deutsche Bäckerei in Teilzeit betreibt. Dank seiner tiefen Marktkenntnisse sind sie eine hervorragende Ergänzung, Abrundung und Aktualisierung meiner Erfahrungen. Mit freundlicher Genehmigung von Benjamin Kowarsch darf ich die Nachricht (die seine Meinung darstellt) vollständig wiedergeben – dafür meinen besten Dank! 07.08.2022 Bernd Kütscher

Lieber Herr Kütscher,

durch Zufall bin ich auf Ihren oben genannten Artikel gestoßen an dessem Ende Sie um Hinweise und Kommentare per Email bitten. Daher schreibe ich Ihnen heute. Ich lebe seit vielen Jahren in Tokio, habe einige Jahre für verschiedene Französische Bäckereien gearbeitet und betreibe seit letztem Jahr hier eine eigene kleine Artisan-Bäckerei in Teilzeit.

Deutsches Brot wurde in Japan bereits in den 1920er Jahren eingeführt und zwar durch Bäcker die durch den Ersten Weltkrieg als Kriegsgefangene nach Japan kamen. Das Zentrum dieser Entwicklung war aber Kobe, nicht Tokyo. Dennoch war der Einfluß nicht unbedeutend. So war z.B. das Japanische Wort für Bäckerei einmal bekkerai, wurde aber allmählich vom Französischen buhranjerie verdrängt.

Typisch Deutsche Roggen- und Roggenmischbrote waren ursprünglich bei den Japanern beliebt. Die Herstellungsweisen der Deutschen Bäckereien haben sich aber durch Generationswechsel so über die Jahrzehnte so verändert daß die Authentizität verloren ging. Dabei wurden die Roggenbrote fester und trockener. Einige Bäckereien fuhren mit der Versäuerung fort, diese wurde aber dann oft mit Essig und nicht mit Sauerteig erzielt. Andere Bäckereien gaben die Versäuerung ganz auf weil die Kunden eben die Essigbrote nicht mochten. Authentisches Deutsches Brot war halt einfach fast nirgendwo mehr erhältlich. Dadurch erhielt Deutsches Brot schliesslich den Ruf fest und trocken zu sein, und entweder gar keinen Geschmack zu haben oder aber sehr sauer zu sein.

Nach dem Zweiten Weltkrieg brachten die Amerikaner das typisch Angelsächsische Kastenweißbrot nach Japan, und dies hat dann schließlich den Weg für Französische Brote geebnet. Die Japaner sind es nun gewohnt sehr helle Brote mit sehr weicher Krume zu essen. Dementsprechend sind die in Japan erhältlichen Mehle hochraffinierte Auszugsmehle. Man kann diese in drei Kategorien einteilen:

Konditormehle mit 0.3-0.38% Mineral- und 5-6% Proteingehalt.

Allzweckmehle mit etwa 0.4% Mineral- und 7-9% Proteingehalt.

Brotmehle mit 0.42-0.48% Mineral- und 10-14% Proteingehalt.

Dabei werden die Brotmehle natürlich mit Vitalkleber verstärkt um auf den entsprechenden Proteingehalt zu kommen. Man stelle sich vor man nehme ein griffiges Österreichisches Typenmehl W480 und mischt 10-20% Vitalkleber hinzu, et voila man hat ein Japanisches Brotmehl.

Ausserdem werden Brote in Japan generell mit Zusatz von Zucker und Fett hergestellt. Die Funktion des Brotes ist nicht Geschmack, sondern Textur. Der Geschmack wird durch Zugabe von Früchten oder Füllung mit Bohnenpaste, Curry, Erdnuss Creme, Frischkäse, Vanille Pudding und anderen Füllungen beigesteuert. Die Textur muss môglichst fluffig sein.

Das bedeutet aber nicht daß die Japaner kein (authentisches) Deutsches Brot mögen. Es ist halt einfach nicht sehr verbreitet und daher auch relativ unbekannt. Dennoch ist es so daß die Japaner eher lockeres und saftiges Brot mögen.

In meiner Bäckerei stelle ich sowohl Französische als auch Deutsche Brote her. Dabei verwende ich für Französische Brote dunklere Mehle als das in Frankreich üblich ist. Und für Deutsche Brote verwende ich eine höhere Hydration als das in Deutschland üblich ist. Die Mehle stelle ich selbst her. Ausserdem verwende ich grundsätzlich keine Backhefe, sondern nur selbstgezüchtete Wildhefe- und Sauerteigkultuen, sehr lange Teigruhe (bis zu 12 Stunden) und Langzeitfermentierung bei Zimmertemperatur (24-28 Stunden). Zu diesem Zwecke verwende ich gemäß der Methode Respectus Panis nur sehr geringen Mengen an Anstellgut (0.5-3%).

Das Resultat sind sehr lockere, meist luftige, und saftige Brote die sehr reich an komplexen Aromen sind. Trotz der unorthodoxen Herstellungsweise sind haben diese einen ausgeprägt Franzöischen, respektive Deutschen Charakter. Das kommt sowohl bei meinen nicht-Japanischen als auch Japanischen Kunden sehr gut an.

In den Sommermonaten haben meine Roggenbrote durch die höheren Temperaturen deutlich mehr Säure, aber selbst die Japanischen Kunden mögen dies. Man könnte einerseits daraus schließen daß man auch in Japan Roggenbrot mit einer ausgeprägten sauren Note verkaufen kann solange die Brote nur locker und saftig genug sind. Andererseits gibt es in Japan einen sehr hohen Grad an saisonalem Wechsel bei Lebensmitteln im allgemeinen. Die Japaner sind mit Abwechslung verwöhnt. Wenn also im Sommer etwas mehr Säure hat und im Winter die gleichen Brote etwas milder sind, so ist das ein deutlicher Vorteil weil es den Kunden dann nicht langweilig wird.

Vielleicht noch eine Ergänzung. Auf Ihrem Blog schrieben Sie „Handwerkliche Bäckereien in Tokio: leider die Ausnahme“. Das ist zwar korrekt, aber es gibt doch hier und da und dort so einige Bäckereien wo noch handwerklich gebacken wird. Die sind aber in aller Regel in Hintergassen oder gar sehr abgelegen, eben überall dort wo die Mieten für einen kleinen Handwerker gerade noch erschwinglich sind. Solche Bäckereien sind dann oft nur den Leuten bekannt die in der Nähe wohnen. Natürlich ist es heutzutage möglich über das Internet auf sich aufmerksam zu machen um so auch ohne Laufkundschaft einen größeren Einzugsbereich zu erlangen. Es mag erstaunlich klingen, aber die meisten Kleinbetriebe in Japan haben keine Internet Präsenz.

Ansonsten, würde ich noch gerne anmerken daß es hier in Tokio ausser den von Ihnen genannten Bäckereien auch noch weitere Deutsche Bäckereien gibt. So gibt es in Kita-Senzoku gleich zwei, Bäckerei Himmel, und Schomaker, die letztere wird von einem Japaner betrieben der in Deutschland ein zwei-jähriges Praktikum absolviert hat. Dann gibt es noch eine Bäckerei Linde in Kichijoji im Westen Tokios, und Bäckerei Tanne. Von diesen ist Schomaker wahrscheinlich am authentischsten.

Für die Deutschen Bäckereien hier in Tokio kann man verallgemeinern, je kleiner die Produktion, desto besser das Brot. Das ist wohl schon deswegen so, weil es mit größerem Volumen zunehmend schwieriger wird die Zeit und Mühe aufzubringen.

Mit freundlichen Grüßen.

Benjamin Kowarsch

Bäckerei Boulangerie Benjamin, Tokio