Im allgemeinen Sprachgebrauch bezieht sich der Begriff „Weizen“ meist auf Weichweizen (Triticum aestivum), der auch als Brotweizen bekannt ist. Im Kontrast dazu wird Hartweizen (Triticum durum) vorrangig zur Herstellung von Pasta verwendet und spielt mengenmäßig eine weniger bedeutende Rolle. Beide Sorten gehören zur Familie der Süßgräser. Trotz des weit verbreiteten Eindrucks, Weizen sei ungesund oder sogar krankmachend, zeigt dieser Beitrag auf Basis wissenschaftlicher Fakten, wie es wirklich um den Weizen steht. Die Quellen der folgenden Aussagen werden im Anschluss benannt und können selbst geprüft werden.
Weizen zählt zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Er spielt seit etwa 10.000 Jahren eine zentrale Rolle in der Entwicklung unserer Spezies. Ursprünglich wurde der Weizen in Wildform gesammelt. Seine systematische Kultivierung begann kurz nach der von Gerste. Archäologische und genetische Belege deuten darauf hin, dass die Ursprünge des Weizens im eurasischen Raum liegen, insbesondere im nördlichen Teil der Arabischen Halbinsel sowie in Ländern wie dem heutigen Irak, Iran, Syrien und Saudi-Arabien. Der Übergang von nomadischen zu sesshaften Lebensweisen während der Neolithischen Revolution förderte die Verbreitung des Weizens nach Europa. Im Mittelmeerraum wurde Weizen besonders von den Römern kultiviert und etablierte sich ab dem 11. Jahrhundert auch in Mitteleuropa.
Weizen ist heute von enormer Bedeutung für die globale Nahrungsmittelversorgung. Zwar wird mehr Mais angebaut als Weizen, doch Mais dient hauptsächlich als Futtergetreide in der Tierernährung. Der energetische Verlust bei der Umwandlung von Pflanzenkalorien in tierische Produkte ist dabei erheblich. Bei Schweinefleisch, Milch und Eiern wird nur etwa jede dritte Kalorie der ursprünglichen Pflanzenkalorie beim Menschen genutzt. Bei Rindfleisch ist das Verhältnis sogar 7:1. Hier hat der Weizen, bei dem jede Kalorie direkt in die menschliche Ernährung geht, entscheidende Vorteile.
Seine Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Klimazonen und seine Effizienz bei der Umwandlung von Sonnenlicht und Bodennährstoffen in kalorienreiche Nahrung sind die Hauptgründe, warum Weizen so wichtig ist. Ungefähr 20% der weltweit von Menschen verzehrten Kalorien stammen aus dem Weizen. Ohne ihn würde die globale Nahrungsversorgung drastisch sinken, was insbesondere in Gebieten mit knappen Ressourcen zu Hungersnöten führen könnte.
Weizen wird häufig im Zusammenhang mit Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Adipositas diskutiert. Jedoch ist er nachweislich nicht bzw. nicht der alleinige Auslöser dieser Erkrankungen. Die wissenschaftliche Forschung zeigt, dass Übergewicht der entscheidende Faktor für die Entwicklung dieser Krankheiten ist. Dieses entsteht durch eine positive Energiebilanz, also eine höhere Kalorienaufnahme als Kalorienverbrauch. Die Art der Kalorienzufuhr und die Menge an körperlicher Aktivität sind somit von wesentlicher Bedeutung für die Gesundheit, unabhängig davon, ob Weizen konsumiert wird oder nicht.
Die Verarbeitung des Weizens kann jedoch Auswirkungen auf die gesundheitlichen Aspekte des konsumierten Endprodukts haben. Studien haben gezeigt, dass ein erhöhter Konsum von Weizenprodukten aus hellem Mehl potenziell negative Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel und die Insulinsensitivität haben können. Im Gegensatz dazu wird Vollkornweizen, der alle Bestandteile des Korns enthält, mit einer Reihe von Gesundheitsvorteilen in Verbindung gebracht. Er ist reich an Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen und hat nachgewiesene positive Effekte auf die Darmgesundheit und das Risiko chronischer Krankheiten.
Weizen besteht zu etwa 70% aus Amylopektin und Amylose, den Hauptkomponenten von Stärke. Zudem enthält Weizen 10 bis 14% Proteine. Besonders wichtig für die Backfähigkeit ist der Gehalt an Glutenproteinen, insbesondere Gliadin und Glutenin. Diese Proteine bilden eine Matrix, bekannt als Gluten, die entscheidend für die Struktur von Brot ist. Gluten kann jedoch bei einigen Menschen eine immunvermittelte Erkrankung, die Zöliakie, auslösen. Zöliakie ist durch eine Überempfindlichkeit gegenüber diesen Proteinen charakterisiert.
Weizen gilt als hervorragende Quelle für mehrere essentielle Nährstoffe, einschließlich Ballaststoffe, Eiweiß, Vitamine (insbesondere B-Vitamine wie Thiamin, Riboflavin und Niacin) und Mineralstoffe wie Eisen, Magnesium und Phosphor. Diese sind entscheidend für viele Körperfunktionen, darunter die Energieproduktion, die Blutbildung und die Stärkung des Immunsystems.
Ein aus Weizenmehl gebackenes Brot enthält im Durchschnitt 49% Kohlenhydrate (zumeist Stärke), 8% Eiweiß, 1% Fett und 3% Ballaststoffe. Bei Vollkornbrot, das das ganze Korn verwendet, sinkt der Kohlenhydratanteil auf 41% und der Ballaststoffanteil erhöht sich auf 7%. Studien zeigen, dass insbesondere Vollkornweizen die Darmgesundheit fördert und das Risiko für chronische Erkrankungen wie Herzkrankheiten, Typ-2-Diabetes und bestimmte Krebsarten verringert. Vollkorn enthält zudem viele wertvolle Antioxidantien und Ballaststoffe, die helfen, den Cholesterinspiegel zu senken und die Verdauung zu verbessern. Insofern wurde das Weizenvollkornbrot vom Deutschen Brotinstitut auch zum Brot des Jahres 2024 ernannt.
Gluten, ein Protein in Weizen, Roggen und Gerste, hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten. Während nur sehr wenige Menschen an Zöliakie leiden, einer schweren Autoimmunerkrankung, die eine lebenslange glutenfreie Ernährung erfordert, gibt es zahlreiche Mythen über Gluten und seine Wirkung auf die Gesundheit. Eine der weitverbreitetsten Fehlinformationen ist, dass Gluten für jeden schädlich sei, etwa weil es „den Darm verklebt“. In Wirklichkeit ist Gluten für die meisten Menschen unbedenklich und es ist ausdrücklich widerlegt, dass der Verzehr von Gluten eine Zöliakie auslösen kann, sofern keine genetische Prädisposition vorliegt.
Ein weiterer Mythos besagt, dass eine glutenfreie Ernährung per se gesünder sei. Tatsächlich kann eine solche Ernährung zu einem Mangel an Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen führen, insbesondere wenn glutenhaltige Lebensmittel nicht angemessen ersetzt werden. Es gibt auch keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Gluten allein Gewichtszunahme verursacht. Für Verdauungsprobleme im Zusammenhang mit Gluten sind normalerweise eine Glutenunverträglichkeit oder Zöliakie verantwortlich, nicht jedoch das Gluten selbst. Und obwohl einige behaupten, dass eine glutenfreie Ernährung die sportliche Leistung steigern könne, gibt es keine wissenschaftlichen Beweise dafür.
Interessant ist die Erkenntnis, dass das Gluten im Brot bei manchen Menschen Ängste auslöst, während Gluten als Bindemittel in anderen Lebensmitteln eher unkritisch gesehen und derzeit sogar verstärkt konsumiert wird, etwa in veganen Produkten. Insgesamt ist es wichtig, zwischen Fakten und Mythen zu unterscheiden und im Zweifelsfall ärztlichen Rat einzuholen, insbesondere wenn Symptome auftreten, die auf eine Glutenunverträglichkeit oder Zöliakie hinweisen könnten.
Die Debatte um die Gesundheitsrisiken von „modernem Weizen“ im Vergleich zu alten Sorten wie z.B. Emmer oder Dinkel erfordert eine wissenschaftlich fundierte Betrachtung. Zwar wird in der öffentlichen Diskussion rund um den Weizen oft behauptet, dass der Weizen aufgrund von Züchtungsverfahren mehr Gluten oder andere irritierende Substanzen enthalte, die verschiedene Gesundheitsprobleme verursachen können. Wissenschaftliche Studien haben jedoch keine eindeutigen Beweise dafür gefunden, dass der Konsum von modernem Weizen im Vergleich zu älteren Weizensorten das Risiko für gesundheitliche Probleme erhöht. Vielmehr stellt Weizen unabhängig von der Sorte immer dann eine gesunde und nährstoffreiche Komponente in einer ausgewogenen Ernährung dar, wenn keine Erkrankung wie z.B. Zöliakie vorliegt, die einen Weizenkonsum generell verbietet.
In Deutschland ist die Zahl der Menschen, die an Zöliakie leiden, von etwa einem von 1000 bis 2000 auf einen von 100 gestiegen. Eine Studie des Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München wollte herausfinden, ob dies an einem höheren Glutengehalt in modernem Weizen liegt. Die Ergebnisse waren überraschend, denn das Gegenteil war der Fall. Moderne Weizensorten enthalten im Vergleich zu historischen Sorten sogar weniger Eiweiß, jedoch einen konstanten Glutengehalt.
So hat sich der Anteil an Gliadinen, die oft als problematisch für Glutenintoleranz angesehen werden, um etwa 18% verringert, während der Anteil an Gluteninen um etwa 25% gestiegen ist. Hierbei spielen Umweltbedingungen einen größeren Einfluss auf die Eiweißzusammensetzung als die Züchtung. Warum Glutenintoleranzen zunehmen, bleibt jedoch weiterhin unklar. Hier besteht ein weiterer Forschungsbedarf.
Zunächst ist es wichtig zu klären, dass Dinkel eine Unterart des Weizens ist und ebenfalls Gluten enthält. Gluten ist ein Protein, das in vielen Getreidesorten vorkommt und für die meisten Menschen keine Gesundheitsrisiken birgt, außer für Personen mit Zöliakie oder einer Glutenunverträglichkeit. Dinkel und andere Weizen haben ähnliche Nährstoffprofile. Dinkel enthält oft sogar etwas mehr Gluten, kann in einigen Fällen aber auch höhere Konzentrationen bestimmter Vitamine und Mineralien aufweisen. Jedoch variiert dies je nach spezifischer Weizensorte und den Anbaubedingungen. Es ist daher nicht wissenschaftlich korrekt zu behaupten, dass Dinkel generell gesünder sei als normaler Weizen. Die Wahl zwischen Dinkel und Weizen sollte daher eher auf persönlichen Vorlieben oder spezifischen gesundheitlichen Bedingungen basieren als auf der allgemeinen Annahme, eine der Sorten sei per se gesünder.
Ein Mensch verfügt über rund 20.000 Gene, während der Weizen drei verschiedene Erbgutsätze mit je sieben doppelten Chromosomen aufweist, auf denen insgesamt fast 108 000 Gene zu Hause sind – fünfmal mehr als bei uns Menschen! Das Brotweizen-Genom ist eine komplexe Verknüpfung von ursprünglichen Ziegengras-Genen mit dem Doppelgenom des Emmers, die durch massive Verdopplungen von Genabschnitten durch Kreuzungen und Hybridisierungen während der Artenentwicklung des Weizens entstanden ist. Die ältesten Typen des Weizens konnten dabei auf 7 Millionen Jahre zurückdatiert werden. Lange Zeit galt diese hochkomplexe Genom als nicht entzifferbar, doch durch die Leistungen von 200 Forschern aus 73 Einrichtungen in 20 Ländern im International Wheat Genome Sequencing Consortium (IWGSC) konnte in der wissenschaftlichen Publikation Science die vollständige Entschlüsselung der Brotweizen-Gene gemeldet werden, angesichts des riesigen Genoms eine höchst respektable Leistung. In Deutschland war das Helmholzzentrum München beteiligt. Ziel dieses Projekts war eine gezieltere Züchtung des Weizens, auch im Hinblick auf den Klimawandel, was angesichts der vorgenannten Bedeutung für die Welternährung von großer Wichtigkeit ist.
Weizen ist ein sehr nährstoffreiches und für die Ernährung ebenso wertvolles wie wichtiges Getreide, das zu Unrecht negativ dargestellt wird. Für die große Mehrheit der Menschen bietet Weizen gesundheitliche Vorteile, insbesondere wenn er in seiner vollwertigsten Form konsumiert wird. Die Entscheidung für oder gegen Weizen sollte auf korrekten Informationen und individuellen gesundheitlichen Bedingungen basieren, nicht auf irreführenden Mythen oder Angst. Es ist wichtig, die umfassenden Vorteile von Weizen zu erkennen, um eine informierte Wahl über die eigene Ernährung zu treffen.
7. April 2024, Bernd Kütscher
– https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/pflanzensteckbriefe/weizen
– https://www.science.org/doi/10.1126/science.aar719
– https://www.weltagrarbericht.de/themen-des-weltagrarberichts/fleisch-und-futtermittel.html
– https://www.nhs.uk/live-well/eat-well/wholegrains-and-fibre/
– https://www.mayoclinic.org/healthy-lifestyle/nutrition-and-healthy-eating/in-depth/gluten-free-diet/art-20048530
– https://www.businessinsider.de/wissenschaft/gesundheit/steigende-unvertraeglichkeit-liegt-nicht-an-mehr-gluten-im-weizen-zeigt-studie-r7/
– https://www.aerzteblatt.de/archiv/171573/Zoeliakiepraevalenz-bei-Kindern-und-Jugendlichen-in-Deutschland
– D. Pronin et al. (2020): Wheat (Triticum aestivum L.) Breeding from 1891 to 2010 Contributed to Increasing Yield and Glutenin Contents but Decreasing Protein and Gliadin Contents. J. Agric. Food Chem. 2020, 68, 46, 13247-13256
– M.C. Geraedts et al. (2010): Release of satiety hormones in response to specific dietary proteins is different between human and murine small intestinal mucosa. Ann. Nutr. Metab. 56:308.
– S. Choi et al. (2009): Meal ingestion, amino acids and brain neurotransmitters: Effects of dietary protein source on serotonin and catecholamine synthesis rates. Physiol. Behav. 98:156.
– O. Jadresin et al. (2008): Compliance with gluten-free diet in children with coeliac disease. J. Pediatr. Gastroenterol. Nutr. 47:344.
O. Saddah et al. (2004): Effect of gluten-free diet and adherence on growth and diabetic control in diabetics with coeliac disease. Arch. Dis. Child. 89:871.
– H.J. Freeman (2008): Pearls and pitfalls in the diagnosis of adult celiac disease. Can. J. Gastroenterol. 22:273.
– Murray JA et al. (2004): Effect of a gluten-free diet on gastrointestinal symptoms in celiac disease. 79:669–73.